Warum lieben wir Heinz Strunk?
Helge Schneider pflegt die Extravaganz. Heinz Strunk – nomen est omen – forciert das Banale. Helge Schneider werden gemeinhin die höheren Weihen des Künstlertums, vielleicht des Genies, zugesprochen. Heinz Strunk kommt selten in diese Verlegenheit. Niemals vielleicht ist solche kunstfern exhibitionistische Selbstüberwindung zur ‚Verklärung des Gewöhnlichen’ aufgewendet worden.
Nicht, dass Heinz Strunk keine Vorbilder hätte. Dada nimmt vieles vorweg. Aber Dada, auch Fluxus, ist Kunst. Längst bestehen Kurt-Schwitters-Museen. Heinz Strunk werden solcherlei Ehren kaum widerfahren. (So wenig wie uns.) Auch als verkannter Genius nach Art Heino Jägers will er nicht taugen: Denn Strunk hat Erfolg, und es fehlt an Genie. Wo Inspirationen sich einstellen – Der Schlagoberst kommt, Trittschall im Kriechkeller, Der Schorfopa: furiose Fügungen fürwahr –, sorgt Strunk zuverlässig für Entlastung. Zumal die jüngsten Prosawerke: Die Zunge Europas (2008) und Fleckenteufel (2009) warten, wo Genialität droht, mit kruden Banalitäten auf. Dass beide ‚Romane’ zugleich auch als Hörbuch, von „Heinz Strunk persönlich“ gelesen, aufgelegt wurden, ist keineswegs Zufall: Des Meisters ungeschlacht quäkende Stimme rundet die Eigenart seiner Prosa vorteilhaft ab. Nervöser Vortrag, manch halbverständlich Zernuscheltes und hörbar feuchte Artikulation tun ein Übriges. Gesangseinlagen, schief intoniert – „angeheult“ nennt es der Opernjargon –, Stimmimitationen nach immer demselben Verfahren, schnoddrig überspielte Zäsuren: Strunk wartet mit kunstvoller Kunstlosigkeit auf. Was die Seite des Inhalts betrifft, herrscht furioser Fäkalrealismus und Peinlichkeit in Potenz: Auf Kotflügeln ins Himmelreich. Heinz Strunk ist Barde der Schamlosigkeit und Fleischwolf des Wortmülls. „Hermeneutische Geilheit“ muss an ihm scheitern: Totalverweigerung von Sinn und Sitte. Wahrheit der Unterhose. Wo wäre das wichtige Thema Masturbation zu solcherlei literarischen Ehren gelangt? Auch dies hebt den Meister von allen Charlotten vorteilhaft ab: Heinz Strunk ist von existenzieller Ödnis durchklüftet. Kaputt – und stolz darauf. Sein Pokerface, grau wie der Himmel von Hamburg, ist Buster Keatons würdig. Die Roche dagegen bleibt schulmädchenhaft selbstverliebt bieder und lacht – horribile dictu – über die eigene Lustigkeit. Vermöchten die Roche, vermöchten die Nuhrs und die Bohlens solcherlei Sätze zu sagen? „Neid, Hass und Verbitterung: Auf diesen Kackstelzen deliriere ich durch eine sich im freien Fall befindliche ‚Kulturlandschaft’, durch die monotone Ödnis eines voraussichtlich mittelmäßigen Sommers, mit der nicht so schönen Aussicht, pünktlich zu Beginn des Sommer vom ersten welken Blatt erschlagen zu werden, bzw. auf einer schleimigen Laubschicht auszurutschen und unglücklich auf den Hinterkopf zu fallen (Wachkoma), bzw. vom ersten Räumfahrzeug (Winterdienst) erfasst und zermalmt zu werden, um als blutiger Matsch zwischen den Gliedern tonnenschwerer Schneeketten zu enden.“ Strunks Wörtergewölle ist von höchstem Karat. Arno Schmidt, Eckhard Henscheid, auch Richard Wagner kommen in den Sinn: Lizenz zum Faseln, luzides Delirium, verwegenstes Sprachschöpfertum. Sloterdijk ohne Maske. „Eigentlich spricht die Sprache.“ (Heidegger.)
Warum lieben wir Heinz Strunk – trotz teils verwegensten, unübertrumpfbaren Sprachschöpfertums? Weil er schamlos normal ist. Messias des Durchschnitts und schlechten Geschmacks. Hemmungslos uncool. Wortreicher Künder einfachster Wahrheit: „Alles mögliche kann einem im Leben passieren, und vor allem nichts“. Heinz Strunk erhöht durch Erniedrigung: sich selbst und seine Adoranten.
Daniel Krause
PS: Man beachte Strunks Homepage, zuvörderst ihr Gästebuch. Wortwahn steckt an:
http://www.heinzstrunk.de/gbuchyana/index.php?&id=light&action=GUESTBOOK_READ_READ