10. Juli 2009

Eine Reminiszenz

 

Im Film, im Theater sind ‚Authentizität’, ‚Intensität’, nicht selten ‚Coolness’ gefragt. So konnte ein Til Schweiger Karriere machen. Eines haben Schauspieler seines Schlags niemals gelernt: sprechen. Einst war es anders: Schauspiel- war Sprechkunst. Ihre Heroen: Josef Kainz, Alexander Moissi und, nach dem Kriege, Oskar Werner. Er formt die Laute präzise, wie ausgestochen. Konsonanten werden zu unerhörter Plastizität gebracht. Vokale blühen melodiös auf, als wär’s Italienisch. Bei aller Deutlichkeit: Die Silben- und Wortgrenzen werden virtuos verschliffen. Ein wohlartikulierter Tonstrom entsteht, mit klug bemessenen Kadenzen. Die Tempi: flexibel, agogisch geschickt, stets in Entsprechung zum Textsinn. Die Stimme: klar, fokussiert, aber fein modulierend und mit der viel beschworenen ‚Träne’ versetzt, die ‚Künstler’ nach Carusos Art von bloßen ‚Sängern’ unterscheidet. Der Wiener Akzent, bar alles Dialektalen, geht leichthin im Hochdeutschen auf. Es ist dies Burgtheaterdeutsch, im Stande höchster Vollendung. Wer hat das Deutsche als „Sprache der Pferde“ verunglimpft? An diesen Lauten ist nichts grob, nichts spröde: Die „Sprache der Pferde“ gerät zur Musik.

 

Nicht viele nahmen Maß an Oskar Werner. Wie viel weniger Sprechkunst wird heute vernommen? Die Kunst, das Deutsche zu singen, verfällt. „Regietheater“ heißt die Losung. Die Mimen geraten zum Werkzeug. Dergleichen kann gedankenreich und ‚stimulierend’ sein, zuweilen erhellend. Aber eins scheint verloren: Die Sprech-, bald auch die Hörkunst.

 

Oskar Werner ist vor fünfundzwanzig Jahren, am 23. Oktober 1984, verstorben.

Seine Rezitationen sind auf CD neu herausgebracht worden.

 

Daniel Krause

 

http://www.oskarwerner.com/index.htm