3. April 2009

Bücherverschlingen

 

Ach, was wäre das schön: Man isst ein Buch, und schon weiß man alles, was drin steht. Für die nächste Urlaubsreise wird dann eine spanische Grammatik appetitlich zubereitet, und schon klappt es mit der Kommunikation. Auch Prüfungswissen ließe sich anders aneignen: Keine lästigen Lerngruppen mehr, stattdessen trifft man sich in netter Runde und verspeist die gekochten Materialsammlungen. Doch leider klappt das nicht, lernen müssen wir nach wie vor selbst und unter Anstrengungen. Franz Hohler hat diese Idee auf äußerst charmante Weise umgesetzt. Der Erzähler seiner kleinen Geschichte berichtet von seinem Urgroßvater, der sich einmal aufmachte, um die Herbstmesse in Basel zu besuchen. Am Ende seines Besuchs kehrte er in eine einfache Gaststätte ein. Da er aus Sparsamkeit immer die Brillen der kürzlich Verstorbenen seines Heimatdorfes auftrug, gelang es ihm nicht, die an eine Tafel geschriebene Speisekarte einwandfrei zu lesen. Deshalb seine Bestellung: Schüblig mit Buchbrot. Ersteres klingt zwar merkwürdig, ist wohl aber eine Schweizer Wurstspezialität. Buchbrot dazu sollte jedoch eigentlich Ruchbrot sein, nur ließ sich das R nicht richtig erkennen und wurde so zum B. Die ihm servierte Mahlzeit enthielt nun neben der Wurst ein Buch in weißer Soße. Doch der Urgroßvater ließ sich nicht beirren, kehrte den Spieß um und verkündete, das träfe sich ja prima, da das Buch „La Cucina Italiana“ hieße, würde er durch dessen Verzehr endlich Italienisch lernen. Und zum Beweis präsentierte er dem erstaunten Kneipenpublikum seinen neuerworbenen italienischen Wortschatz. Ein extra herbeizitierter Küchenjunge konnte die Richtigkeit bestätigen. Die Auflösung der Geschichte nun ist äußerst spitzbübisch und charmant und geschah „aus der Überzeugung heraus, dass jeder Witz, der mit einem gemacht wurde, in einen Witz verwandelt werden konnte, den man seinerseits mit den anderen machte“. Ein kleines Buch für einen verregneten Sonntagnachmittag, nach dessen Lektüre man sich umso mehr über die Existenz von Büchern im Allgemeinen freut.

 

Katrin Zabel

 

Franz Hohler: Das verspeiste Buch. Mit Illustrationen von Hans Traxler, Sammlung Luchterhand 2008

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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