Wenn Männer zu sehr lieben
Jeden Tag in Gemüse zu machen, vermag einen englischen Dandy kaum auszufüllen. Und was ein ehemaliger Vorzeige-RAF-Offizier hinter dem Tresen zu suchen hat, lässt einen auch nicht gleich an die Karriereleiter denken. Bald hat Richard Blaney auch hinter dem Tresen nichts mehr zu suchen, weil sein Chef ihn feuert. In solchen Fällen ist es gut, wenigstens eine Ex-Frau zu haben, die man nerven kann. Vor allem wenn sie gut situiert ist und einem Beruf nachgeht, der sich genau um die Leute kümmert, zu denen Leute wie Dick gehören: einsame Menschen, die vermittelt werden wollen. Aber auch Krick, der Dandy, ist einsam. Nicht dass er nicht ständig ein Schwätzchen – und sei es mit dem Bobby – macht; das gewöhnliche Gemüse ist nichts für ihn, er braucht stärkere Stimulantia. „Im Reich der Sinne“ hätte ihm bestimmt gut gefallen, aber für diese Art ritualisierten Sex hätte er erst mal eine Therapie machen müssen, denn seine Ekstase ist ziemlich pathologisch und er fragt sein Gegenüber nie, ob es wehtut, wenn er den Strick zuzieht.
Da ihm also die Partnerbüros nicht helfen können und 1971 die Anonymität noch nicht den Umfang erreicht hat, dass er diskreter sein Begehren hätte formulieren können, muss er zugreifen, wo sich ihm die Gelegenheit bietet. Der Zufall will es, dass beide Männer Dicks Frau einen kleinen Besuch abstatten. Der eine will sich ausheulen, der andere sein mörderisches Verlangen stillen. Beide bekommen, was sie wollen, der eine ein gutes Abendessen (um dann gleich um ein Bett bei der Heilsarmee anzufragen), der andere eine Steilvorlage, weil Dicks Ex genau sein Typ ist. Ein weiterer Zufall will es, dass man Dick für den Mörder nicht nur seiner Ex-Frau hält, denn es geht gerade ein Serienmörder in London um. Die nächste Nacht verbringt Dick mit seiner Ex-Kollegin aus dem Pub, für die nächste Nacht kann zufälligerweise ein früherer Freund von der Notwendigkeit eines Aufenthalts überzeugt werden, wenn auch gegen den Instinkt von dessen Gattin. Leider stirbt auch die Ex-Kollegin, Dick hat jetzt keine Freunde mehr. Bis auf Krick. Der musste aber erst mal sein letztes Opfer entsorgen, was gar nicht so einfach war, denn das schöne Amulett, auf das er so stolz ist, ist plötzlich nicht mehr da.
Die nächtliche Fahrt auf dem Kartoffel-LKW ist zweifellos der Höhepunkt des Films, Krick vermutet das wertvolle Stück irgendwo bei seinem Opfer, das er auf der Ladebank nicht ganz so genüsslich auspellt. Wie da plötzlich zwischen den nackten Beinen des Opfers die Kartoffeln herauskullern, das ist schon große Kunst und eine entschiedene Überwindung von arte povera. Natürlich passieren im Moment des Abschlaffens die größten Fehler, Krick, wieder im Besitz der Brosche, zeigt sich im Autobahnrestaurant, und kann später, als die Polizei den Fall wieder aufrollt, nachdem Richard unschuldig verurteilt worden ist, als Indiz gegen ihn verwendet werden. Denn der Kriminalinspektor ist ein gewissenhafter Mann mit einer inneren Stimme, die sich nicht einfach so besänftigen lässt und gegen die nicht die Tricks ziehen, die er gegen seine Gattin auffährt, die gerade auf dem nouvelle-cuisine-Tripp ist. Die Frau, die alles ins Rollen brachte, bringt auch wieder alles ins Lot, nämlich die Sekretärin der toten Ex-Frau. Auch am Ende gibt es wieder ein schöne Parallele, sowohl der Inspektor als auch Dick, der sich wund stürzte, um leicht aus dem Gefängniskrankenhaus auszubrechen, tauchen fast zeitgleich bei Krick auf. Auch hier noch einmal eine Vertauschung, Dick schlägt eine schon tote Frau noch mal tot, was der Inspektor sogleich realisiert und ihn lässig abwinken lässt, denn jetzt kommt Krick mit der Kiste, und das Spiel ist aus.
Dieter Wenk
<typohead type=2>Alfred Hitchcock, Frenzy, GB 1971</typohead>