28. Januar 2009

Herrschaftsgebietend

Der romantische Traum
Der Mensch gestaltet seine Welt
Kreuz
Das kalte Herz der Moderne

 

Zeichnungen und Objekte von Suse Bauer

 

Hier herrscht eine Vorliebe fürs erratisch Ragende, bei Objekten wie bei Papierarbeiten. Die mit fettiger Ölpastellkreide und einfachen Schablonen entstehenden A4-kleinen bis Weltmeisterschaftsflaggen-großen Papiere sind stark farbig, kombiniert mit dem, was einem an den Kunsthochschulen immer verboten wird, nämlich Metallglanzeffekt.

Man könnte die Bilder unvorsichtigerweise für formalistisch halten. Sollte sich aber nicht durch die Formen von der haptischen Präsenz der Materialität ablenken lassen.

 

Man hat diese Formen schon einmal gesehen. Wo? Was sind das für Farben und Formen, und was ist das für Material? „Handgetöpfert“ sieht es aus, erinnernd an scheußliche Vasen von Flohmärkten. Beschränktheit der Mittel scheinen die Bilder mit den ungelenken Schablonen vorzugeben. Eine Stumpfheit des Ausdrucks, der sich in der plumpen Hilflosigkeit bei der Formfindung zeigt. Es sind groteske Form- und Farbreminiszenzen, deren Quellorte sich nicht näher einkreisen lassen – bis auf die Feststellung, dass einem diese Gebilde täglich begegnen, im öffentlichen wie im privaten Raum. Albern im Sinne eines Kalauers zur Lage der Nation wird es nie, dafür ist die Information zu dunkel. Die Kunst von Suse Bauer wirkt trotz der eben geschilderten Unbeholfenheit streng, bisweilen sogar abweisend, die geschlossenen Bildflächen lassen keine ironische Zerfaserung zu. Die Rahmungen und Gehäuse der Bilder, ein Grund für den Eindruck des sonderbar Ragenden, wirken mit den farbgesättigten Papieren antagonistisch zusammen, wobei auch der Rahmen die Aufgabe des kläglich Unvollkommenen übernehmen kann, wenn das Motiv allzu prächtig und herrschaftsgebietend wirkt.

 

Unbetitelte Arbeiten gibt es nicht. »Der Mensch gestaltet seine Welt« lautet einer dieser Titel. 50er Jahre, ein Slogan so großspurig, dass man den prächtigsten Ausblick auf die dahinter liegende Depression zu sehen bekommt. Kunst am Bau, eine Geschichte der Ideenflucht von der Lebensreform ins Dekor. Wer dabei vor wem geflüchtet ist, ist eine komplizierte Geschichte. Suse Bauer hat kein nostalgisches Interesse, diese Entwicklung als eine Kette komplizierter gesellschaftspolitischer Irrtümer und Missverständnisse zu begreifen. Sie bedient sich der an Hausfassaden petrifizierten Formen, rückt sie erneut ins Bild, ergänzt ihre Bilder unerschrocken mit einer noch weiter zurückliegenden Zutat, einer Supraporte, einem Giebel über dem Bild, so wie man über Kirchentüren, in Schlössern oder an Altären verfahren ist, ein architektonisches Mittel, um Ehrfurcht und Demut zu erzeugen. Mit solchen Mitteln erzeugt Suse Bauer den herrischen Eindruck ihrer Kunst.

 

An Wappen erinnern die zentral platzierten geometrischen Motive, eine an Symmetrieachsen orientierte Ordnung, deren Informationsgehalt – wie auch bei Wappen – anzunehmen ist, aber für Laien unzugänglich bleibt, für diese Formen ließe sich ein neues Kapitel der Heraldik entwickeln, ein Katalog von Formen. Halbkreise, Geraden, Bögen, Dreiecke würden mit einer bestimmten Aussage versehen, die in der jeweiligen Anordnung dann eine präzise Aussage hätten. Diese Unternehmung ist hoffnungslos, vor solcherlei interpretatorischer Zudringlichkeit sind diese Kompositionen gefeit, denn es sind keine Wappen, an denen man erkennen können müsste, mit wem man es zu tun hat. Die Unterscheidung zwischen Laien und Spezialisten, welche sich hierbei gegenseitig zeigen könnten, was eine Harke ist, weiß Suse Bauer zu verhindern, hier gibt es keine versteckten Zitate oder geistreichen Witze. Die irritierende Gier nach Sinn, die Menschen in unregelmäßigen Abständen befällt und aus bizarren Gründen besonders beim Betrachten von Kunst aktiviert wird, wird hier abgestoppt. Eher kann man die Bilder verstehen als Rehabilitationen eines allgemeinen, sehr menschlich sehnsuchtsvollen, aber eben leider immer in Beklopptheit oder Dramen mündenden Gestaltungswillens.

 

Nora Sdun

 

Suse Bauer, Lisa Hefeldt, Avi Sabah, Hans Stützer: „Rio“, Ausstellung

29. 1. bis 14. 3. 2009, Galerie Hafen+Rand, Lange Reihe 88 · D-20099 Hamburg www.hafenrand.com