PORCELAIN GODS.
Narrative des Glaubens
im britischen Pop der 1990er Jahre
Ole Petras (Christian-Albrechts-Universität, Kiel)
God is a concept
Die ausgehenden 1960er
Jahre kennzeichnet ein Wandel in der Orientierung der populären Musik als distinktives Modell. Im Zuge der gescheiterten Revolution(en) von 1968, vielleicht auch nur als eine weitere Spielart des etablierten Systems, weichen die Gruppendynamiken der ‚großen Hysterien’ einer individualisierten Erfahrung der sinnstiftenden Qualitäten von Popmusik. Erwartungsgemäß früh zeigt sich diese neu formierte Spiritualität auf dem ersten Soloalbum John Lennons,[i] dessen Anti-Hymne „God” [Lennon 1970, 10] die Losung für ein nunmehr säkulares Selbst-Bewusstsein ausgibt: „God is a concept / by which we measure our pain“ (v. 1f.). Buchstäblich ex negativo funktioniert der alternative Maßstab, welchen der Text aufruft, als Kompensation eines theologischen Vakuums: „I don’t believe in Jesus [Kennedy/Buddha ... Elvis/Zimmerman/Beatles etc.]“ (v. 11ff./18ff.). Lennon proklamiert diese von beherrschenden Breaks unterbrochenen Verse, als würde die Abwesenheit der Idole (auch seiner eigenen als Mitglied der aufgelösten Beatles) durch Nennung ihrer Namen gebannt. Gleichwohl restituiert sich ihr Status in der Negation. Insofern jeder Name institutionellen Charakter besitzt, bedeutet eine Absage an ihn letztlich nur die Freisetzung dergestalt kondensierter Inhalte.[ii]
SONG JOHN LENNON „God“
Ganz so substituierbar, wie es uns die Aufzählung glauben machen will, sind die numinosen Hypostasen allerdings nicht. Am Ende der Reihe erfolgt die Letztbegründung in Form des Bekenntnisses zur eigenen Person, genauer zum Subjekt als Zentrum der Sinne: „I just believe in me“ (v. 21; m. Hrvh.). Ungeachtet seines aufklärerischen Gestus verfolgt der Text damit ein genuin biblisches Modell. „Ich-bin-der-ich-bin“ lautet die Anrede Gottes im zweiten Buch Mose (Ex 3,14). In dieser umständlichen Formel zeigt sich zugleich die Unmöglichkeit eines Namens für den christlichen Schöpfergott als letztes aller Signifikate und die schlichte Notwendigkeit sprachlicher Weltordnung. In welcher Gestalt sich Gott in der Bibel auch zu erkennen gibt, seine Präsenz indiziert und garantiert die unmittelbare und unhintergehbare (insofern nicht eigentlich zeichenhaft temporisierbare) Anwesenheit von Sinn. Ganz ähnlich verfährt der Text. „I was the dream weaver / but now I’m reborn[iii] / I was the walrus / but now I’m John“ (v. 28 bis 31), singt Lennon und verfügt seine Stimme zum Fixpunkt wechselnder Attribute. Der bürgerliche Vorname des Künstlers präsentiert sich im Liedtext als pro forma einer übergeordneten und sinnstiftenden Instanz. An die Stelle von Jesus, von Kennedy und den Beatles tritt nun der Mensch Lennon, ohne dass dadurch die diskursive Komponente zurückgenommen, der logozentrische Weltentwurf aufgegeben oder das generelle Begehren einer Benennung des qua definitionem Unbenennbaren verworfen würde. Gott, so könnte man überspitzt formulieren, wird in dieser Konstellation lediglich zum Privatmann, der Beatle zu John, „Ich-bin-der-ich-war“ zu „Ich-bin-der-ich-bin“.
Die auffällige Präsenz des überwunden geglaubten Konzepts erstaunt, und auch die relativ unverhohlene Inthronisierung des Selbst. Immer wieder begegnen die mit dem metaphysischen Bade vermeintlich ausgeschütteten Strukturen und dienen der Bestimmung des scheinbar autonomen Selbst. Nicht nur die in den zitierten Versen 28 bis 31 statuierte Läuterung glaubt an die schrittweise Rückkehr des Geistes zu seinem ‘wahren’ Kern. Auch der Schluß des Liedes artikuliert ein solches Telos: „[A]nd so, dear friends / well, you just have to carry on“ (v. 32ff.). Die Liebe erfährt indes ihre religiöse Konnotation in der Bewertung als nicht-diskursive und dergestalt absolute Größe. Als würde dies keinen Unterschied machen, erweitert das lyrische Ich seine Doktrin: „I just believe in me / Yoko and me“ (v. 21f.). Indem aber die ‚Angebetete‘ als Teil des vergöttlichten Selbst begriffen wird und dadurch der lebensweltliche Zusammenhang dieser Beziehung in den Hintergrund gerät, unterminiert der Text seinen eigenen Entwurf. Im Zusatz „that’s reality“ (v. 23) wird deutlich, dass das Lied sich weder auf einen atheistischen Relativismus noch auf eine Kritik der Institution Kirche beschränkt, sondern aktiv den Aufbau einer neuen/alten Sinnstiftung betreibt. „All you need is love“ hatte das an anderer Stelle geheißen, oder im Ersten Brief an die Korinther: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (13,13)
Es steht zu vermuten, dass an die Stelle der großen Ideale eine darum nicht weniger feierliche Selbstbescheidung tritt, gerade weil die theistische Grammatik, ohne deren Überwindung man laut Nietzsches berühmter Wendung Gott nicht loswürde,[iv] die Abschiede vom Glauben strukturiert: „the dream is over -/ what can I say?“ (v. 24f.). Im Diskurs der Popmusik führt diese Konstellation zur endgültigen Verwandlung des Künstlers in ein sujet saint - eine Entwicklung, die Lennon 1966 durch seine Äußerung, die Beatles seien jetzt populärer als Jesus [Posener 1987, 64ff.], schon angedeutet hatte. Auch Bob Dylan wird wenige Jahre später mit seiner auf den Alben Slow train coming (1979), Saved (1980) und Shot of love (1981) dokumentierten Konversion die letztlich konsequente Anwendung dieses Prinzips versuchen und damit vor allem Unverständnis ernten. Heinrich Detering schreibt: „Nun sind sie [die Zuschauer, O.P.] es, die von dem frommen Puristen auf der Bühne lauthals ‘Rock’n’Roll!’ verlangen. Dylan antwortet in Predigten; [...].“[v]
SONG BOB DYLAN „Saved“
Ausgehend von der hier nur skizzierten Problematik möchten die vorliegenden fünf Einzelanalysen den popkulturellen Relaunch der Kunst als Angebot zur Sinnstiftung im britischen Pop der 1990er Jahre nachvollziehen. Ein besonderes Augenmerk soll hierbei auf jene Textpassagen und paratextuellen Beigaben gerichtet sein, welche den Rekurs auf genuin christliche Entwürfe nutzen, um den Künstler und die Kunst selbst in einem vorderhand aufgeklärten/rationalistischen Weltbild zu lokalisieren. Ausgewählt wurden Lieder der Bands Pulp, Blur, The Verve und Oasis sowie von Paul Weller. Sämtliche dieser Stücke verhandeln ‘Gott’ bzw. dergestalt konnotierte Konzepte in ihren Texten, weshalb ich auf eine gesonderte Analyse der musikalischen Umsetzung weitestgehend verzichte. Die Paratexte hingegen sollen als Vehikel der Textinszenierung einbezogen werden.
Konstellationen
Wie fast jede Szene kennt der sogenannte Britpop seine Vorläufer. Es scheint mitunter, als finde eine translatio imperii der ‘Swinging Sixties’ ins ausgehende 20. Jahrhundert statt, als versuchten die betreffenden Bands an jene prägende Zeit anzuknüpfen, welche die 1960er Jahre für die Geschichte der Popmusik darstellen. Von Interesse sind für uns hierbei weniger die konkreten Anleihen, als der Aufbau und die Behauptung einer Kontinuität vom ‘Mersey-Beat’ bis zum ‘Manchester Rave’.
Als ein Zeitzeuge und verspäteter Gründervater begegnet Paul Weller. Der „Modfather“ erlebt in der Folge der triumphalen The Jam (1977-82) und dem dandyhaften Agit-Pop des Style Council (1983-89) in den 1990er Jahren die nunmehr zweite Wiedergeburt als Solokünstler. Das erste Stück des selbstbetitelten Debüts[vi] resümiert seine Passion, in doppeltem Sinn: „I took a trip down boundary lane / try an’ find myself again“ (v. 1f.). Und nicht umsonst paraphrasiert die Titelzeile dieses Liedes die Lautfolge des, glaubt man Nik Cohn, Rock’n’roll-Mantras schlechthin.[vii] Little Richards “AWopBopaLooBop ALopBamBoom” wird hier zum lakonischen “Uh Huh Oh Yeh”, dessen selbstbewusste Diktion („always there to confuse and fool ya!“, v. 10) die sich durch den Pop vermittelnden Realien diskutiert.
VIDEO PAUL WELLER „Uh huh oh yeah“
Überhaupt kennzeichnet die 1990er Jahre ein Nebeneinander von Pastiche und Narzissmus, das seine Sicherheit aus einer Offenbarung schöpft, die sich letztlich nur selbst erfüllen kann. Oasis aus Manchester definieren sich geradezu über ihre Verehrung der Beatles. Sänger Liam Gallagher wird seinem 1999 geborenen Sohn den Vornamen Lennon geben. Und die medial inszenierte Fehde zu Blur aus London zitiert nur die ebenso künstlich geschaffene Rivalität der Beatles und der Rolling Stones, mit vergleichbarem kommerziellem Nutzen.
Die Nonchalance, mit welcher hier vorgängige Muster reproduziert werden, scheint den 1969 von Roland Barthes konstatierten (und in der wissenschaftlichen Debatte der letzten Jahre arg strapazierten) „Tod des Autors“[viii] als einen letztmöglichen Weg originären Sprechens zu antizipieren: „Heute wissen wir, dass ein Text nicht aus einer Reihe von Wörtern besteht, die einen einzigen, irgendwie theologischen Sinn enthüllt (welcher die ‘Botschaft’ des Autor-Gottes wäre), sondern aus einem vieldimensionalen Raum, in dem sich verschiedene Schreibweisen [écritures], von denen keine einzige originell ist, vereinigen und bekämpfen.“ [Barthes 2000, 190; Hrvh. i.O.] Bei genauerem Hinsehen aber transportieren die zahllosen Reverenzen[ix] und Diminuative einen bemerkenswerten Rest des schöpferischen Genies als transzendenter Größe.[x] Musikalisch und textlich regiert das von Barthes beschriebene „Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der Kultur“ [ebd.], wobei die direkten Anleihen oft geringer sind als behauptet. Auf Ebene der Zuordnung aber dienen die evozierten Modelle der eigenen Elevation, indem die vakanten Autoritäten neu besetzt werden können.[xi]
Vor dieser Folie erhält auch die programmatische Abweichung ihre integrativen Figuren: Jarvis Cocker gelingt 1995 mit seiner Band Pulp und deren bereits fünftem Album Different class[xii] der Durchbruch auch auf dem Kontinent. Der zu diesem Zeitpunkt seinen Zenit überschreitende Britpop hat seinen androgynen Propheten gefunden. „Geek god“ steht in pinken Lettern auf einer Fotografie Cockers, welcher dieses Ornat zwei Jahre später mit feiner Ironie zurückweisen wird: „I’m not Jesus though I have the same initials / I am the man who stays home and does the dishes“ [Pulp 1997, 2].[xiii] Einer Anekdote zufolge, die so treffend ist, dass man um ihren Wahrheitsgehalt bangen muss, wandelte Jarvis Cocker auf der Höhe seines Ruhms in einem Bärenkostüm durch das Festivalpublikum, eben weil eine erkennbare Präsenz einen Tumult ausgelöst hätte. Die Larven des Autors sind nun so offensichtlich, dass seine Person dahinter verschwindet.
Derlei Fliehkräfte zeigen sich erneut im Verständnis der Musik als Sublimierung einer theologischen Krise. The Verve aus dem nordenglischen Wigan orientieren sich zunächst stark am Sound der frühen Pink Floyd und treten 1997 mit einem opus magnum hervor, dessen säkulare Weihe sich bereits im Titel Urban Hymns[xiv] andeutet. In „Bitter Sweet Symphony” [Verve 1997, 1], dem ersten und wohl auch bekanntesten Stück dieses Albums, stellt Sänger Richard Ashcroft [Abb. oben] den schon in dem benannten Lied John Lennons aufgerufenen Zusammenhang von Schmerz und Glauben her: „Well, I’ve never prayed but tonight I’m on my knees / I need to hear some sound that recognise the pain in me” (v. 12ff.). Die Rezeption populärer Musik und das Gebet, so legen diese Verse nahe, meinen ungefähr dasselbe. Dabei fungiert der rational nicht fassbare Schmerz zugleich als Ausgangspunkt der Sinnsuche und deren Motivierung. Allein die Verbalisierung („sound“) der als quälend („need to“) empfundenen Unwissenheit („recognise“) verspricht Linderung. Die Musik präsentiert sich hier als eine Art Fluchtpunkt der Bewegung, als „concept by which we measure our pain”. Das bittersüße Konzert des Lebens („it’s a bitter sweet symphony / that’s life“) ist gekennzeichnet durch die Simultanität eines logisch nicht zu erbringenden Gottesbeweises und eines mittels der Musik darstellbaren transzendenten Überschusses.[xv]
Richard Ashcroft wird diese Dichotomie verstärkt auf seinen nachfolgenden Soloalben diskutieren: „There’s got to be something more / when Mohammed, Allah, Buddah, Jesus Christ / are knocking down my door / I’m agnostic getting God, but man / she takes a female form” singt er in „Check the meaning”, dem ersten Stück seines (etwas aufdringlich) Human conditions [Virgin/EMI 2002] benannten zweiten Longplayers. Mit Blick auf das Erscheinungsdatum überrascht nicht, dass die Auseinandersetzung mit Gott im Kontext der Anschläge des 11. September 2001 eine neue, komparatistische Färbung erhält. Ob aber der (sich 2002 bereits abzeichnende) Irak-Krieg oder der islamische Fundamentalismus einen ähnlichen Wiederhall in der Populärkultur finden wie seinerzeit das Civil Rights Movement und Vietnam, mag bezweifelt werden. Gerade der an Lennons Stück illustrierbare Ausweg in den Sonderdiskurs verhindert den Rückgriff auf einen grand récit (Jean-François Lyotard), d.h. ein übergeordnetes Legitimationsmuster, oder belegt diesen doch mit dem Verdacht des Anachronismus.[xvi]
Paul Weller: “Porcelain Gods”
Als Mitinitiator des 1978er Mod-Revivals,[xvii] bekennender Sozialist und ‘professioneller’ Kritiker der Regierung Margaret Thatcher[xviii] firmiert Paul Weller nicht ganz unberechtigt unter dem Label eines politisch engagierten Künstlers. Trotz der oben beschriebenen thematischen Wende arbeiten seine Soloalben mit Versatzstücken linker Popkultur und ihrer Ästhetik, so auch das für die Analyse ausgewählte Stück „Porcelain gods“ vom 1995er Album Stanley Road.[xix] Berücksichtigung soll hier weniger die inhaltliche Korrespondenz erfahren; im Zentrum steht die Frage, inwiefern der agitatorische Gestus die poetischen Verfahren des vorliegenden Textes strukturiert.
„Porcelain gods“ [Weller 1995, 2] beginnt minder subtil mit einem doppelten Imperativ: „Beware false prophets - take a stand!“ (v. 1).[xx] Die Gegenüberstellung der Verben, des erwünschten Tuns und Lassens, etabliert eine Opposition der Substantive, die als Chiffren konträrer Weltdeutungsmuster fungieren (eigene Meinung versus Fremdbestimmung). Der Zusatz „false“ hingegen schafft eine fundamentale Asymmetrie. So stehen Aussagen ‘richtiger’ Propheten einem eigenen Standpunkt nach Ansicht des Textes nicht entgegen, wohl aber die vorschnelle Aneignung der Anschauungen nicht-authorisierter Sprecher.[xxi] Der zweite Vers spezifiziert diese Auffassung dahingehend, dass der Aberglaube keine gültigen Aussagen über Welt zulässt und sich demnach nicht zum Mittel der Erkenntnis eignet: „My fortune cookie cracked up in my hand“ (v. 2).[xxii] Das lyrische Ich steht den Materialisationen einer transzendenten Wahrheit skeptisch gegenüber und erkennt sie doch als Propositionen an: „More advice to fill up your head“ (v. 3; m. Hrvh.). Diese Ambiguität von Gottvertrauen und pseudo-religiöser Institution mündet in eine generelle Diskurskritik: „More empty words from the living dead / Who seek to explain what can’t really be said” (v. 4f.).
Offenbar sieht sich das lyrische Ich einem massiven missionarischen („seek to explain“) Eifer ausgesetzt, und durchschaut diese ‘leeren Worte’ als aussichtslose Versuche, eine ontologische Gewissheit durch Sprache („what can’t really be said“) zu erlangen. Dadurch dass die selbsternannten Propheten als „living dead“ apostrophiert werden, erhält die Sprachskepsis den Index des Lebendigen, wohingegen die ‘graue Theorie’ als lebensfern semantisiert wird. Gewiss ließen sich diese Zeilen auch im Sinne eines populär-aufklärerischen Appells („take a stand“ versus „fill up your head“) lesen, jedoch nur unter Auslassung der beobachteten Schieflage des Vergleichs. Erst durch die Dichotomie von Subjekt und Meta-Subjekt, die dem ‘falsch abbildenden’ Diskurs als originäre Instanzen gegenüber stehen, erklärt sich der Refrain: „And how dissapointed I was / To turn out after all / Just a porcelain God / - that shatters when it falls“ (v. 6 bis 9). Die einleitende Warnung erwächst offenbar einer erlittenen Enttäuschung des Ich-Erzählers, der den „false prophets“ Glauben schenkte und so den individuellen ‘Standpunkt’ vernachlässigte. In dieser Konstellation erweist sich die Gewissheit oder eigene Meinung als eine Art Unio Mystica, die den Repräsentationen („porcelain gods“) entgegensteht, aber gleichwohl erworben werden kann („turn out after all“). Der letzte Vers des Refrains wiederum macht deutlich, dass das aufgerufene Konzept (welches zuvor dem Lebendigen subsumiert wurde, v. 4), auf die Ewigkeit in Form einer Wahrheit abstellt, die (in übertragendem Sinn) eben nicht zerbricht, wenn sie fällt.
Die zweite Strophe beginnt, ähnlich der ersten, mit einer apodiktisch formulierten Opposition, deren referentieller Bezug auch in den folgenden Versen nicht hergestellt wird: „Too much will kill you - too little ain’t enough“ (v. 10).[xxiii] Allenfalls vermuten lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Verantwortlichkeit des Subjekts und der Überwindung seiner Passivität; eher schon trägt das Prinzip der aristotelischen ‘Mediocritas’ (als einer Form des Ausgleichsdenkens) dazu bei, die Koordinaten des zweifelnden Selbst zwischen den Extremen ‘diskursives Sein’ und ‘Telos’ zu bestimmen. Der nächste Vers, „You shout my name but I’ll call your bluff“ (v. 11), bewertet eines solche Fixierung des Sinns - in der Verwendung eines Namens, in der systemischen Einschreibung - jedoch als ‘Blendwerk’. Es wird erkennbar, dass die oben zitierte Bezeichnung des biblischen Gottes (‘Ich-bin-der-ich-bin’) auch die Selbstwahrnehmung des lyrischen Ichs strukturiert, welches damit in die Gestade göttlicher Ordnung vordringt: „Most who see me - see me not for real“ (v. 12.). Das Resultat der Absage an die ‘falschen’ Götzen scheint zu diesem Zeitpunkt einer Apotheose des Selbst gleichzukommen.
Die erweiterte Leitdifferenz (Wahrheit versus Täuschung) greift nun über auf die Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit als hier negativ besetztes Sprachspiel. „We fake and fawn - play games ’til dawn” (v. 13). Ob mit dieser Wendung ein Spezialfall des Verhaltens in Gesellschaft oder deren grundsätzliche Bedingung gemeint ist, muss offen bleiben. Vor allem die zahlreichen Pronomina lassen eine eindeutige Bestimmung der kommunikativen Funktionen nicht zu. Bezeichnet das „you“ des zehnten Verses noch ein allgemeines ‘man’, muss das darauffolgende „you“ (v. 11) einen irgendgearteten singularen Referenten haben, damit überhaupt ein „Bluff“ zustande kommen kann. In Vers dreizehn geht die konative Funktion auf eine nicht näher definierte Gruppe zurück, die das lyrische Ich falsch einschätzt (das heißt auch in direktem Kontakt mit diesem steht); das „we“ des vierzehnten Verses schließlich kritisiert einen common sense im Sozialverhalten aller Menschen. Damit illustriert der Text formal, was er auf der Ebene der Mitteilung zu verwerfen gedenkt: Gerade die Heterogenität der Stimmen verhindert eine klare Frontstellung. Diese wird erst möglich in der Begrenzung der Aktanten: “But I could see what you can see / And I hate too what you hate in me -“ (v. 13ff.). Die binäre Struktur gestattet einen (wenn auch dürftigen) Konsens.
Im Zusammenhang der spirituellen Aufladung des Textes erscheint die Unartikulierbarkeit des Glaubens als naheliegendes Pensum der sprachlichen Uneindeutigkeit. Insofern das Leben ersterer Instanz zugeschlagen wird, muss die Distinktion über eine Ablehnung letzterer erfolgen. Tatsächlich variiert der zweite Refrain: „And how disappointed I am / To find me part of no plan / Just a porcelain God / - that shatters when it falls“ (v. 16 bis 19). Der assoziativ zunächst ‘göttliche Plan’ erweist sich gemäß der Argumentation des Liedes als vorwiegend sprachliche Ordnung. Weil es aber quod erat demonstrandum nicht möglich ist, den Entwurf der Welt mittels der Vernunft zu erfassen, ist das lyrische Ich im wahrsten Sinne ‘ent-täuscht’.
VIDEO PAUL WELLER „Porcelain gods (Later with Jools Holland)“
Der zweite Refrain wirkt in Form eines karthatischen Punktes von welchem aus die Neugestaltung des Weltbildes in der dritten Strophe erfolgen kann. Die in die Aporie führenden Zweifel werden abgeschüttelt, die unheimliche Fülle der Sinne getilgt: „I shake it off and start again / ‚Don’t lose control’ - I tell myself“ (v. 20f.). In der Transkription des nächsten Verses begegnet ein (wenn, sehr treffender) Druckfehler: „LIfe can take many things away“ (v. 22). Die Großschreibung der ersten beiden Buchstaben dient gewöhnlich der Markierung einer göttlichen Instanz.[xxiv] Das Leben selbst wird zum Paradigma sowohl der Weltordnung als auch der Positionierung des Subjekts; seinen Gesetzen gilt es sich zu beugen. Man erinnere sich des aufklärerischen Gestus zumindest der ersten Verse. Die Diskurskritik, welche das Lied archithematisch strukturiert, weicht jenem missionarischem Eifer, den der Text zuvor getadelt hatte: „Some people will try - and take it all / They’ll pick of pieces as they watch you crawl“ (v. 23f.). Weller vermeidet ein finger pointing; die vergeblichen Versuche, aus den Scherben eines gefallenen Götzen ein irgendwie konsistentes Weltbild zu klauben, sind dennoch hörbar. Die Wendung „and take it all“ entwirft in der Gegenüberstellung zu “[t]oo much will kill you” ein negatives Bild der wörtlich chthonischen Sinnsuche. Gewissheit aber ist gemäß der ersten beiden Versen des nun folgenden Refrains nur intuitiv zu erlangen.
Der Text endet mit der Wiederholung seiner Schlusszeile „That shatters when it falls“ (v. 28f.). In einer neuerlichen Lektüre des Refrains stellt sich die Frage nach dem Anlass der Erkenntnis („Just a porcelain God“) bzw. derjenigen Figur, welche den Porzellan-Gott umwarf. Das lyrische Ich bietet sich formal aufgrund der syntaktischen Konstruktion des Refrains (erste Person Singular Aktiv) und inhaltlich infolge des beschriebenen Denkwegs an. Analog zu diesem Muster scheint der zweite der beiden Imperative („take a stand“, v. 1) den ersteren („Beware false prophets“, ebd.) zu untergraben. Als abschließende These kann stehen, dass die Absage an eine konstruktivistische Weltdeutung letztlich die Parthenogenese eines Propheten beschreibt.[xxv]
More empty words from the living dead
Ein Blick auf den Paratext des betreffenden Liedes eröffnet eine Analogie. Stanley Road ist als eine Art Konzeptalbum entworfen, als persönliches Zeugnis eines (nunmehr drei Karrieren umfassenden) Lebensweges. Der Titel zitiert die Adresse von Paul Wellers Geburtshaus im englischen Woking (Surrey). Für das Cover wurde der britische Maler Peter Blake verpflichtet; es zeigt einen hockenden Jungen vor einer Mauer, der ein Bild des erwachsenen Wellers (dieser mit runder Sonnenbrille und Mittelscheitel) in Händen hält. Darüber, vom Kopf des Jungen halb verdeckt, prangt der Straßenname in üblicher Einfassung. Im Booklet der CD befinden sich collagenhaft arrangierte Bilder unter anderem von John Lennon, Aretha Franklin, einem mit Rückspiegeln besetzten Roller, dem als ‘Target’ bekannten Symbol der britischen Streitkräfte und einem Abriss des Gedichts „The Roads also“ von Wilfred Owen. Eine ähnliche Technik hatte Blake schon in seiner Arbeit am Cover von Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band (1967) angewandt. Tatsächlich tauchen die Beatles explizit (in Gestalt der Fotografie Lennons, in der Abbildung zweier Spielzeugfiguren mit Pilzkopf und Gitarre) und implizit (in der Anordnung des Materials und der Pose des Künstlers auf dem Cover) auf. Indem er Peter Blake das Artwork verantworten lässt, stellt Paul Weller eine direkte Verbindung zwischen sich und den ‘Fab Four’ (bzw. einem kulturellen Wissensschatz) her. Diese Attributierung bewirkt zweierlei: Einesteils werden die Bezeichneten vermittels dieser Memorabilia zu fixen Referenten stilisiert; dann tritt Weller als Person in die Reihe der ‘Heiligen’ einer sich stetig fortschreibenden Populärkultur.
Friedhelm Marx zeichnet in seinem Aufsatz „Heilige Autorschaft?“[xxvi] den „Rückgriff [der Moderne] auf religiöse Lebensformen, Rituale und Ausdrucksmittel“ [Marx 2002, 107] unter dem Gesichtspunkt „künstlerische[r] Selbstvergewisserungsversuche“ [ebd.] nach. Mit einem Begriff Stephen Greenblatts benennt er eine Folge der im Laufe des 19. Jahrhunderts eintretenden „Säkularisation der christlichen Glaubensvorstellungen“. Dieses Self-fashioning des Künstlers zum „Priester, [...] Propheten, [...] Heiligen und Erlöser“ [Marx 2002, 108] hingegen provoziert wenig bis keinen Widerspruch: „Anders als im Kontext der Genie-Ästhetik des 18. Jahrhunderts und der Romantik [...], kommen d[er] religiös konnotierten Form des Self-fashioning in der Moderne kaum noch blasphemische Qualitäten zu.“ [ebd.; Hrvh. i.O.]
Anstatt nun Paul Weller vorzuhalten, sich selbst als ‘richtigen’ und somit zumindest potentiell auch ‘falschen’ Propheten im Diskurs zu installieren, sei auf jenes Paradox hingewiesen, das als Ergebnis der Textanalyse gelten kann und ebenfalls die Aufmachung der CD bestimmt. Im Zuge der Sanktifikationen der Kunst begegnet eine generelle Skepsis gegenüber den Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks und gleichzeitig die virtuose Verwendung eines kulturellen Inventars, das sich doch nicht anders als durch Zeichen vermittelt. Was wäre die Signatur Peter Blakes auf dem Cover anderes als ein „empty word from the living dead“, ein Verweis auf die Abwesenheit des Ereignisses, und damit das Eingeständnis seiner Iterierbarkeit? Der transzendente Überschuss, auf den der Liedtext notorisch rekurriert, offenbart sich hinterrücks als eine verblasste Metapher für das Archiv, das als Summe alles Seins und Gewesen-Seins eine dynamische, das heißt auch lebendige Größe bezeichnet. Die nun folgende Analyse versucht zu zeigen, inwieweit die Arbeit am Topos für die poetische Verdichtung eines überaus komplexen Sachverhalts (der Liebe) eingesetzt werden kann.
Pulp: “Something changed”
Ein Durchgang durch das englische Drama förderte gewiss andere Beispiele zu Tage; als Rolemodel einer vom Zufall bzw. dem Schicksal (und seiner Stellvertreter) abhängenden Liebesbeziehung befindet sich William Shakespeares Romeo und Julia nach wie vor im aktiven Wortschatz der abendländischen Kultur. Im Gegensatz zur finalen Motivierung des stoffgeschichtlich verwandten König Ödipus sterben Shakespeares Helden am schlichten Wegfall des Informationstransfers. Baz Luhrmanns Verfilmung (William Shakespeare’s Romeo & Juliet, USA 1996) zeigt im Kontrast des originalen Dialogs mit einem zeitgenössischen, wenngleich abstrahierten Setting, inwieweit selbst in einer Gesellschaft, die sich der unbeschränkten Kommunikation verpflichtet fühlt, die Einheit von Ort und Zeit als Voraussetzung menschlicher Interaktion wirkt. Aus der hier beobachtbaren Konstellation spricht, auch das ein Indiz für die anhaltende Relevanz des Schauspiels, ein klassischer Entwurf der Liebe als gravitierendes Moment.
VIDEO BAZ LUHRMAN „Romeo & Juliet (Trailer)“
Der Text des Liedes „Something changed“ [Pulp 1995, 7][xxvii] der Sheffielder Band Pulp diskutiert vor diesem Hintergrund die relative Kontingenz einer geglückten Liebschaft. Gleich zu Beginn der ersten Strophe präsentiert sich die Konspiration zweier Menschen in Gestalt eines problematischen Inspirationskonzepts: „I wrote this song two hours before we met / I didn’t know your name or what you looked like yet“ (v. 1f.). Nicht nur kollidieren dramatischer Modus und erzählte Zeit (würde es zu einem terminus post quem geschrieben sein, wäre das Lied ein anderes als das Benannte; zu einem terminus ante quem verfasst, wüsste der intern fokalisierte Erzähler nichts von einem Treffen); die metaleptische Struktur[xxviii] der Exposition bedingt außerdem die für sich genommen paradoxe Anrede an ein, wie Vers zwei behauptet, unbekanntes Du. Diese Permutation spielt mit den Regeln des Genres; weder empfängt der Dichter eine (vielleicht göttliche) Eingebung, noch inspiriert ihn eine (vielleicht weibliche) Erscheinung zur Niederschrift des Liedes, welches es zu diesem Zeitpunkt sensu stricto nicht geben kann.
Auf Ebene des discours wird der Topos einer Liebe-auf-den-ersten-Blick seinerseits unterminiert, insofern der Text, stellvertretend für eine indikative Beschreibung eben jenes Augenblicks, im Konjunktiv Handlungsalternativen auflistet, die eine Begegnung verhindert hätten: „Oh I could have stayed at home and gone to bed / I could have gone to see a film instead / you might have changed your mind and seen your friend“ (v. 3ff.). Dass diese Argumentation nicht (oder zumindest nicht nur) auf die Betonung einer vorbestimmten Zusammenkunft zielt, machen der letzte Vers der Strophe und die daran anschließende Titelzeile deutlich: „Life could have been very different but then / something changed“ (v. 6f.). Indem das durch Zubettgehen, Kinobesuch und Verabredung charakterisierte everyday life als Kontrapunkt des Vergleiches eingeführt wird, ist jene scheinbar nebensächliche Alltagswelt von der diagnostizierten Veränderung berührt. Unter anderem die Titelzeile bedient sich einer für die Popkultur der 1990er Jahre in gewisser Weise typischen Ironie: Gerade nicht ‘irgendetwas’ ist anders, die Konstellation der Figuren ist signifikant gestört. Erst in Gestalt dieser Brechung wird die Liebe als Heterotopie restauriert,[xxix] enthüllt das seltsam gesteigerte „very different“ des sechsten Verses die volle Relevanz des Bekenntnisses zu einem Menschen als Antonym eines durchschnittlichen Lebens.
VIDEO PULP „Something changed“
Entsprechend ‘über-irdisch’ beginnt die zweite Strophe: „Do you believe that there’s someone up above?“ (v. 8). Als Indizien der Rhetorik dieser Frage wirken ein mit Verwendung des Indefinitpronomens „someone“ erzielter Rekurs auf die Uneigentlichkeit des Titels und die anschließende implizierte Antwort: „And does he have a timetable directing acts of love?“ (v. 9). Sofern ersterer Vers an einen (christlichen) Schöpfergott denken lässt, irritiert nachfolgende Korrespondenz zur antiken Mythologie. Die Hybridität des Bildfeldes legt eine säkulare Lesart nahe. Weder ist es die alleinige Aufgabe des Gottvaters die „acts of love“ zu dirigieren, noch erscheint Amor (Eros, Cupido) vor einer „timetable“ sitzend an seinem angestammten Platz. Die derart prononcierte Leerstelle fokussiert die gleichwohl problematische Handlungsfähigkeit der Aktanten. Der zweifache Stabreim (Do/does, v. 8f. und Why/Why, v. 10f.) und die Parallelführung der Fragen künden von einer, trotz fraglicher Kausalität vorhandenen Autonomie: „Why did I write this song on that one day / Why did you touch my hand and softly say“ (v. 10f.). Obwohl also die jeweiligen Beweggründe im Dunkel liegen, hat das lyrische Ich ein (und sogar dieses) Lied verfasst, und hat die Adressatin[xxx] seine Hand berührt und sanft zu ihm gesprochen.
Der Einsatz des epischen Präteritums erzeugt, wie schon im Fall der Exposition, eine doppelte Sicht auf das Geschehen. Einerseits resümiert der Text die Begebenheiten „on that one day“, andererseits stellt die nachfolgende Wiedergabe der wörtlichen Rede des weiblichen Counterparts auf die Jetztzeit ab: „Stop asking question that don’t matter anyway / Just give us a kiss to celebrate here today / something changed“ (v. 12ff.). Unklar bleibt, und diese Schwebe mag durchaus beabsichtigt sein, ob „here today“ Anlass der Feier ist, oder die Tatsache, dass „here today something changed“ (m. Hrvh.). Die syntaktische Konstruktion unterstützt letztere Variante, jedoch bedürfte die Konzentration auf die eingetretene Veränderung einer Reflexivität, welche die Sprecherin gerade als belanglos verwirft. In beiden Fällen fungiert der Kuss als ostensiver Berührungspunkt der maskulinen Introspektion und des femininen Pragmatismus. Um diese Gleichzeitigkeit einander ausschließender Weltdeutungsmuster kreist der Text, wobei der fragliche Vollzug des Kusses (schließlich formuliert Vers 13 nur den Vorschlag) seinerseits eine Metaebene etabliert. Wörtliche und wirkliche Bedeutung stehen in permanentem Konflikt.
Als dominantes Verfahren des Textes begegnet folglich die Transformation der tragischen Ironie Shakespeare’scher Ausprägung in ein sprachkritisches Paradigma. Entgegen dem zitierten Drama, das die Katastrophe aus der Unwissenheit seiner Protagonisten ableitet, befindet sich benanntes Paar in dem begrifflichen Widerspruch des als solches erkannten Unwissens. Die verkürzte dritte Strophe illustriert diese Atopie im Chiasmus der zeitlichen und räumlichen Situierung: „When we woke up that morning we had no way of knowing / that in a matter of hours we’d change the way we were going“ (v. 15f.). Den fundamentalen Umbau des Status quo als eine „Sache von Stunden“ abzutun, konterkariert das phatische In-die-Welt-treten des morgendlichen Erwachens. Hier bereitet die Aufnahme der bereits in Vers zwölf verwendeten Vokabel „matter“ und ihre semantische Streuung das räumlich markierte Sinngebungsraster vor. Der „way of knowing“ präformiert gerade nicht den „way we were going“, oder doch nur insoweit, als letztere Verortung der Negation ersterer entspricht: „we had no way of knowing“ (v. 15; m. Hrvh.).
In einer neuerlichen Verschränkung von Konspiration und Inspirationskonzept erscheinen die Adressatin und das Lied gleichzeitig als Effekte und Ursachen der eingetretenen Veränderung: „Where would I be now if we’d never met? / Would I be singing this song to someone else instead?“ (v. 17f.). Wie ein auf halbem Wege verloren gegangenes Signifikat wirkt die in Strophe zwei eröffnete Leerstelle in diese Fragen hinein. Der Platz in der Welt als Metapher einer auch spirituellen Gewissheit und die im Komponieren des Liedes enthaltene sprachliche Erschließung dieses Ortes scheitern an der vermeintlichen Akzidens des Zusammentreffens und führen notwendig in die Aporie: „I dunno but like you just said - / something changed“ (v. 19f.). Diese Lesart aber vernachlässigte einen ganz wesentlichen Faktor: Indem das aktuelle Liebesglück ineins gesetzt wird mit der Abwesenheit des Zweifels, restituiert sich zwischen den Zeilen eine starke sinngebende Instanz. Das lyrische Ich akzeptiert die Grenzen seiner Sprache vordergründig nicht als Grenze der Welt, sondern affirmiert die Möglichkeit eines metareflexiven, das heißt auch intuitiv erfahrbaren Seins, welches sich folgerichtig und ironischerweise im Indikativ Präsens der direkten Rede manifestiert. Die poetischen Verfahren des Textes strafen sein Bekenntnis Lügen.
Please understand
Insofern der kalkulierte Riss in der Beweisführung die Liebe letztlich zu einem Sprachspiel erklärt, wird auch der für die Popmusik charakteristische Topos einer absolut gesetzten und dergestalt sakralisierten Gegenwart zugunsten einer konsekutiven Erfassung der Wirklichkeit abgeschwächt. Der Paratext des analysierten Liedes akzentuiert diese diskurskritische Komponente. Schon der Titel der CD, Different Class, benennt mit der gesellschaftlichen Klasse ein in Großbritannien nach wie vor valentes Distinktionsmerkmal. Das auf der Innenseite des Booklets abgedruckte Motto des Albums expliziert die aufgerufene Position des Außen: „Please understand. We don’t want no trouble. We just want the right to be different. That’s all.” [Pulp 1995] - Es stellt sich die Frage, welcher Art die Verschiedenheit einer Gruppe (oder gar Klasse) ist, die mit derartigem Nachdruck versucht, das richtige Verständnis dieser Geste der Abgrenzung sicherzustellen?
Alternativ zu einer sozial-politischen Auslegung des Mottos (als Lemma einer Subkultur) erscheint eine generelle Problematisierung der Faktizität des Dargebotenen denkbar. Die einleitende Bitte richtete sich dann in erster Linie an den Rezipienten, die dargestellte Welt als solche zu begreifen, und die Alterität der Kunst an den Anfang (und nicht an die Stelle) einer individuellen Auseinandersetzung zu setzten.[xxxi] Damit wäre erneut jene sinnstiftende Instanz berührt (bzw. negiert), deren Existenz der Liedtext in letzter Konsequenz bestreitet. Schließt man in die Überlegungen die Tatsache mit ein, dass das vorliegende Album (in fast allen Liedern) ein Konzept der Andersheit verhandelt,[xxxii] aber mindestens das Medium der Vermittlung durch ein hohes Maß an Redundanz und Repräsentation gekennzeichnet ist, muss das beobachtete Missverhältnis die Aussage strukturieren. Das Sichtbarmachen eines Unterschiedes in der Verzögerung der Signifikantenfolge könnte somit einen thematischen Rahmen bilden.
Erhärtet wird dieser Verdacht durch die Fotos im Booklet der CD sowie das Video zur Single „Disco 2000“ [Pulp 1995, 5], welche lebensgroße, jedoch schwarz-weiße Pappaufsteller der Bandmitglieder zeigen, die in ein fingiertes Setting (eine Hochzeitsgesellschaft, Kinder auf einer Straße usw.) gestellt wurden.[xxxiii] Diese Bilder im Bild wirken als Spuren der Musiker in der dargestellten Welt und diskutieren auf diese Weise einen für die Popmusik konstitutiven Grenzbereich: Weder sind die Künstler im Sinne ihrer empirischen Existenz im Kunstwerk präsent, noch kann, vor allem in Hinblick auf die Performanz des Dargebotenen, von ihrer grundsätzlichen Abwesenheit ausgegangen werden.
VIDEO PULP „Disco 2000“
Versteht man nun „Gott“ nicht als eine personale Entität, sondern als Prinzip einer teleologischen Ordnung, die sich in allen Konstituenten eines Weltbildes wiederspiegelt, zeigt der Text des untersuchten Liedes eine bemerkenswerte Analogie. Die Liebe (als Ziel und Vollendung des „Guten Lebens“), der Personenkult als Überhöhung des „richtigen“ Ortes und die verabsolutierte Gegenwart (als Pendant des jeder Zeitlichkeit enthobenen, paradiesischen Urzustandes)[xxxiv] wirken als nicht hintergehbare Koordinaten der erzählten Welt. Von diesem Befund aus auf eine generelle Funktionsweise des popkulturellen Diskurses zu schließen, erscheint verfrüht. Die im Text gestellte Frage „Do you believe that there’s someone up above?“ aber lässt sich mit Verweis auf die formende Hand des Künstlers als eines alter deus zumindest vordergründig beantworten. Er bestimmt das Schicksal seiner Figuren, oder anders herum: Ohne die in den verwendeten Topoi manifeste Metaphysik existiert kein emphatisches Leben, kommt keine Feier der Liebe zustande. Der Text schöpft sein Wirkungspotential direkt aus seinen (sichtbar gemachten) Voraussetzungen. Der Tod des Autor-Gottes präsentiert sich hier letztlich als paratextuelle Strategie und paradoxerweise als auktorial gesteuert.
Blur: “The Universal”
Ein ähnliches Spiel mit sinnzentrierenden Diskursen betreiben die Londoner Blur. Das Lied „The Universal“ vom sinnfällig The great escape[xxxv] betitelten Album beginnt wie ein Werbetext respektive der Vorspann eines Science-Fiction-Films mit den Worten: „This is the next century / The universal is free“ (v. 1f.). Die doppelte Perspektivierung ist auffallend. Für den Rezipienten bleibt zunächst unentscheidbar, ob das ‘nächste Jahrhundert’ als Metapher des Fortschritts fungiert, der Text also auf Gegenwart und Lebenswelt referiert, oder expositorisch in die Diegese der nachfolgenden Handlung einführt („Wir schreiben das Jahr ...“). Eine dritte Variante schiebt sich zwischen die Lektüren. Insofern die Angabe ‘the next century’ entweder relational und verifizierbar, oder im Sinne ihres propositionalen Gehalts gar nicht ist, bedürfte der Vers eines Bezuges, den weder der Titel noch die nachfolgenden Zeilen zu geben vermögen. Im Gegenteil: Vers zwei behauptet nicht einmal, dass das ‘Universum’ frei sei, was als Aufhänger eines Films etc. plausibel wäre und dem aufgerufenen Schema entspräche, sondern konstatiert die Freiheit des ‘Universellen’. Auch dies eine Leerstelle, die durch das nachfolgende „You can find it anywhere“ (v. 3) noch untermauert wird.
Mit John L. Austin ließe sich der Text bis zu dieser Stelle als ‘Unglücksfall’ einer Äußerung bezeichnen.[xxxvi] Da es sich bei dem vorliegenden Lied jedoch nicht um den ernsthaften Versuch einer Mitteilung handelt,[xxxvii] kann die Abwesenheit des Referenten selbst Bedeutung generieren. Der vierte Vers, „Yes, the future has been sold“ (v. 4), mag dahingehend interpretiert werden, dass an die Stelle des Universellen, hier gedacht als göttliches Prinzip, eine marktwirtschaftlich orientierte Lebensplanung getreten ist, die sich auch in der Vergnügungs-industrie manifestiert: „Every night we are gone / And to karaoke songs / We like to sing along / Although the words are wrong“ (v. 5 bis 8). Die doppelte Lesbarkeit aber bleibt: ‘Gone’ bezeichnet im Englischen nicht nur das ‘gegangen sein’, sondern ebenfalls den Tod. Und die „karaoke songs“, die das erweiterte Textsubjekt singen möchte, obwohl es den Text nicht kennt, illustrieren sehr deutlich das Oszillieren des Sprechers zwischen einem vorgegebenen Inventar der Sprache, dem Ausdruckswillen und dem potentiellen Fehlschlagen des Sprechaktes (beziehungsweise der andauernden Modifikation in der Wiederholung der Signifikanten).
Auch der nachfolgende Refrain ahmt den Sprachduktus einer kulturell inventarisierten Textsorte, des Gospelsongs oder Hymnus, nach und entwickelt aus diesem Subtext eine ironische Brechung. Damon Albarn singt zur Begleitung durch Streicher, Bläser und Chor: „And it really, really, really could happen / Yes, it really, really, really could happen / When the days they seem to fall through you / Just let them go” (v. 9 bis 12). Das angedeutete Heilsversprechen der ersten beiden dieser Verse, die emphatische Verkündigung des Wandels,[xxxviii] wird mittels des anschließenden Ratschlags ad absurdum geführt: ‘Es kann passieren („could happen“), aber wenn alles („the days“) schief geht („fall through you“), lass es einfach geschehen („let go“)’. Mit einem solchen Telos ist sicherlich kein Staat zu machen. Aber darum geht es auch nicht. Die musikalische Umsetzung und der Einsatz gewisser Schlüsselworte und Wendungen signalisieren dem Hörer eine Tragweite des Gesungenen, welche durch eine entsprechende Verdichtung der Allgemeinplätze aufgehoben wird. Das behauptete Fehlen eines letzten Signifikats („the universal is free“) provoziert den Unglücksfall, der hier nicht nur ein theologisches Vakuum anzeigt; ebenso werden die Sprechweisen popmusikalischer Texte parodiert.
Dementsprechend kritisch reflektiert die zweite Strophe die Möglichkeiten und Wege der informations-technologischen Vernetzung: „No one here is alone / Satellites in every home / The universal is here / Here for everyone“ (v. 13 bis 16). Insofern sich sowohl Gott als auch die Satelliten im ‘Himmel’ befinden, können letztere als Substrat des ersteren fungieren. Folglich problematisiert die Synekdoche („satellites in every home“) die unbeschränkte Verfügbarkeit der Medien als Modell einer negativen Theodizee. Formal ist dieser Vergleich durch die Häufung von Pronomen erreicht, die als Superlative („no one“, „every“, „everyone“) auftreten, oder eine räumlich situierte und absolut gesetzte Gegenwart indizieren („here“). Die anschließenden Verse explizieren die in der Ironisierung des Nachrichtentransfers als fortwährender Verkündigung angelegte Heilserwartung: „Every paper that you read / Says tomorrow is your lucky day / Well, here’s your lucky day“ (v. 17ff.). Damit entlarvt der Text die schon zu Beginn des Liedes aufgerufene Dependenz relationaler Angaben. Wenn jede Zeitung sagt, morgen sei unser Glückstag, wird auch die gestrige eine derartige Ankündigung gemacht haben; ebenso ist das nächste Jahrhundert („this is the next century“) lediglich ein Effekt des vorangegangenen, und kein irgendwie konsistenter Befund. An die Stelle einer echten Eschatologie treten nun die Phrasen einer Zerstreuungs-Maschinerie, die Selbstverwirklichung nur in Gestalt der Teilnahme am Waren-Diskurs akzeptiert („It really, really, really could happen“, v. 20), eine Gewähr für die Erreichung des Glückes aber nicht übernimmt.[xxxix]
Trotzdem sich das analysierte Lied vordergründig als Kritik an der Allgegenwart der Medien lesen lässt, entfaltet es seine eigentliche Geltung auf Ebene des discours. „The Universal“ führt vor, wie die universitas (und was mit ihr) als Zentrum der Sinne verloren geht. Der Leser irrt in seiner Erwartung: Nicht jeder Verweis ist per se bedeutend, nicht jeder Sound macht die Musik. Der Sprecher aber irrt in seinem Verschwinden: Gerade das in der ironischen Grundhaltung angelegte Hinausschieben der Signifikantenfolge und die virtuose Beherrschung eines kulturellen Wissensschatzes restituieren eine starke Instanz der Textorganisation, welche sich nicht anders als über die eine Stimme des Interpreten vermittelt.
This can’t be heaven - I recognise it!
Mehr als eine Untersuchung der reichhaltigen Paratexte des vorliegenden Stückes bietet sich ein kurzer Blick auf seine filmische Umsetzung an. Der von Jonathan Glazer inszenierte Videoclip zu „The Universal“ (GB 1995) interpretiert den (biblischen) Himmel als eine Art Bar, in welcher die ganz in weiß gekleideten Blur das Lied performen. In dem stilisierten Etablissement befinden sich noch andere Gäste, unter anderem Geschäftsleute, die eine attraktive Frau umschwärmen, ein Priester, der mit einem anderen Mann flirtet, verschiedene Menschen, die ganz in rot gekleidet sind und ekstatisch feiern sowie zwei identisch kostümierte ältere Herren mit Schwimmbrille, die sich offensichtlich im Drogenrausch befinden (eingeblendeter Kommentar zum verschwommenen Bild: „Wow!“). Ursache der allgemeinen Ausgelassenheit ist fraglos eine blaue Flüssigkeit, welche alle Himmelsinsassen aus Martinigläsern konsumieren.
VIDEO BLUR „The universal“
Zwischengeschnitten sind Aufnahmen eines städtischen Platzes, auf dem kugelförmige Lautsprecher (im Design des „Himmels“) aufgestellt sind. Passanten lauschen dem anscheinend aus diesen Boxen erklingenden Lied. Es findet Interaktion zwischen den beiden Räumen statt; Blur bedecken kollektiv ihre Augen mit den Händen, in der nächsten Szene nehmen eine Reihe Stadtbewohner ihre Hände von den Augen. Vor allem Sänger Damon Albarn kopiert das ganze Video hindurch Posen des Stummfilms; sein mehrfach in die Kamera gerichtetes Grinsen weckt Teufelsassoziationen. Überhaupt scheint er die Geschicke zu lenken. Als der Priester seinem Flirt etwas ins Ohr flüstert und dieser daraufhin schlagartig seine Heiterkeit verliert, lächelt Albarn wissend. Den Schluss des Videos bilden Blur, die auf die Kamera zugehen, und Albarn, der sie als Anführer mit ausgebreiteten Armen stoppt; kurz wird die gleiche Konstellation der Figuren auf dem städtischen Platz eingeblendet, wieder kommen die in ihrer Bewegung eingeforenen Blur ins Bild; Ende des Videos.
Es kann hier nicht der Ort sein, die zahlreichen intertextuellen Verweise[xl] oder eine etwaige Handlung des Videos zu rekonstruieren. Bemerkenswert erscheint im Zusammenhang unserer Fragestellung vor allem ein Aspekt: Signifikanter noch als die Ästhetik dieses Himmels, die sexuellen Anspielungen und der mehr oder weniger implizite Vorwurf des Drogenkonsums ist die Tatsache, dass überhaupt ein Himmel gezeigt wird. Diese Figuration des Jenseits bestätigt die in der Analyse vermutete Gleichsetzung des Universellen mit dem (von Gott regierten) Universum, zeugt aber auch von einer anhaltenden Auseinandersetzung. Wie bereits angeführt, registriert Friedhelm Marx, dass „d[er] religiös konnotierten Form des Self-fashioning in der Moderne kaum noch blasphemische Qualitäten zu[kommen]“ [Marx 2002, 108; Hrvh. i.O.]. Wohl aber diskutiert die Moderne mit Wittgenstein et al. die Grenzen der Sprache als Grenzen der Welt.[xli] Wie schon in den poetischen Verfahren des Textes beobachtet, schiebt sich zwischen diejenige des bewegten Bildes und des Liedes eine dritte Ebene. So unterbricht die Annäherungsversuche des Priestern eine eingeblendete Tafel, die das Schema eines Magneten und eines davon angezogenen Menschen zeigt. Diese Kommentarfunktion baut das Video aus. Einer der beiden älteren Herren mit Schwimmbrille äußert, laut Untertitel, den Satz: „This can’t be heaven - I recognise it!“
Wer hatte eigentlich behauptet, dass dies der Himmel sei? Der Verfasser dieser Zeilen aufgrund gewisser Merkmale, etwa der Farbe Weiß und dem hellen Licht, welche erfahrungsgemäß ein entsprechendes Milieu anzeigen. Gleichwohl war der Verfasser sich darüber im Klaren, dass es sich um eine Darstellung des Himmels handelt, und diese (beispielsweise im Kontext der Medienkritik des Liedtextes) eingesetzt wird, um eine Aussage Y über ein X zu tätigen. Die betont „irdische“ Interpretation des Jenseits aber verfolgt anscheinend ein ganz anderes Ziel. Mittels Verfremdung zeigt das Video, indem es zeigt, dass es zeigt, was es nicht zeigen kann.[xlii] In ähnlicher Weise deuten die häufigen Blicke der Band ins Off die Existenz einer wörtlich extra-diegetischen Instanz an. Die Sprecher und mit ihnen die Sprache machen, und hier gewinnt der Schluss des Videos seine volle Relevanz, vor dem Außen der Sprache/des Films/der Wahrnehmung halt. Um den daraus folgenden ‘Unglücksfall’ zu provozieren, spielt das Video mit der Deutungshoheit eines, hier von Damon Albarn verkörperten Autor-Gottes, dessen Abwesenheit und beschränkte Haftung umso eindringlicher vorgeführt wird: Bei der Performance des Liedes „The Universal” anlässlich der 1995er MTV Europe Music Awards in Paris sang Damon Albarn die letzte Zeile des Liedes, kippte (sehr langsam und demonstrativ) hintenüber und lag, zum instrumentalen Outro des Stückes, regungslos im Kegel der Lichter.
VIDEO BLUR „The universal (live)“
Oasis: “The Masterplan”
Abschließend sei auf zwei Lieder hingewiesen, welche das Theodizee-Problem in ihren Texten explizit formulieren. Das Stück „The Masterplan“ von Oasis, B-Seite der Single „Wonderwall“ [Sony 1995] und letzter Track der gleichnamigen B-Sides Collection [Creation/Epic 1998], geht dabei vom gestalterischen Vermögen des Einzelnen aus und bewertet, konträr zu Paul Wellers „Porcelain gods“, die Vielfalt der Sinne positiv, als einen Impuls zur Sinnstiftung. Noel Gallagher, der Autor des Liedes, schließt hier möglicherweise an Leibniz’ Diktum der „best of all the possible worlds“ an (v. 16), ohne dass der Platz Gottes näher bestimmt würde denn durch die Teilhabe aller Menschen an einem „Masterplan“ (v. 13). Der Text sei, alternativ zu einer prozessualen Analyse, zusammenhängend zitiert:
The Masterplan
Take the time to make some sense of what you want to say
and cast your words away upon the waves
sail them home with acquiesce on a ship of hope today
and as they land upon the shore
tell them not to fear no more
say it loud and sing it proud today -
And then dance if you want to dance
please brother take a chance
you know they’re gonna go which way they want to go
all we know is that we don’t know
how it’s gonna be / please brother let it be
life on the other hand won’t make you understand
we’re all part of the masterplan
Say it loud and sing it proud today -
I’m not saying right is wrong / it’s up to us to make
the best of all the things that come our way
cause everything that’s been has passed
the answer’s there in the looking glass
there’s four and twenty million doors
on life’s endless corridor
say it loud and sing it proud today -
[Refrain: And they will dance if they want to dance ...]
VIDEO OASIS “The Masterplan”
Wie im Fall der „Porcelain gods” beginnt das Lied mit einem doppelten, sogar vierfachen Imperativ. Es ist bezeichnend, dass die „words“ des zweiten Verses im Verlauf der ersten Strophe zum Gegenstand des Appells werden. Die Worte sollen heute mit zögerndem Einverständnis („acquiesce“) in einem Schiff der Hoffnung („ship of hope“) heim gefahren werden, und wenn sie (die Worte) auf dem Strand anlanden, sei ihnen gesagt „not to fear no more“ (v. 5).[xliii] Auch dieses, in der Schiffs-Metapher biblisch konnotierte Bild beschreibt die Genese von Sinn im Vollzug des Sprechaktes. Die Signifikanten werden auf das Meer der möglichen Bedeutungen geworfen (v. 2), was schließlich angespült wird, kann als Glücksfall einer Äußerung gelten: „You know they’re gonna go which way they want to go“ (v. 9).
Die im Bildfeld des Meers formulierte Kontingenzerfahrung führt wiederum zu der Einsicht, dass „[a]ll we know is that we don’t know / how it’s gonna be“ (v. 10f.) und zur Kippfigur der letzten beiden Verse des Refrains: „Life on the other hand won’t make us understand / [that oder because] We’re all part of the masterplan“ (v. 12f.). Immerhin steht der Agnostizismus (v. 10) dem Leben gegenüber („Life on the other hand“, v. 12) und wird die eigentliche Gewissheit als Resultat eines lebenslangen Strebens nach Wahrheit dargestellt („it’s up to us to make“, v. 15). Der Aberglaube („[t]he answer’s there in the looking glass“, v. 18) erscheint demhingegen als vielleicht ironisches, vielleicht unterkomplexes Gleichnis.
Alles in allem liefert der Text des Liedes keine kohärente Verhandlung der aufgerufenen Problematik. Viele mögliche Positionen werden angerissen und auf die Achse der Kombination gestaucht, ohne dass ein wirklicher Standpunkt deutlich würde. Insofern aber der Eklektizismus zu den (oben angesprochenen) primären poetischen Verfahren dieser Band gehört, kann der Gestus der Rede selbst als bestimmendes Element gelten. Was auch immer man zu welchem Thema zu sagen hat, „say it loud and sing it proud today“ (v. 14). Mehr als die Suche nach spiritueller Gewissheit spricht aus diesem Vers ein proletarisches Ethos, das Oasis in ihren Texten und mittels ihres Auftretens gezielt bedienen.[xliv]
The Verve: “Lord I guess I’ll never know”
Auch The Verve verstecken ein für unsere Frage aufschlussreiches Lied auf einer B-Seite. Der Titel „Lord I guess I’ll never know” wurde zunächst auf der Maxi-Single “Bitter sweet symphony” veröffentlicht und tauchte dann als Bonus-Track der Japan-Edition des Albums Urban Hymns [Virgin/Hut/Toshiba-EMI 1997, 13] wieder auf. Der Text umfasst den nächtlichen Monolog eines schlaflosen Sprechers, der thematisch um das Problem einer gegebenenfalls mit dem Tod erlöschenden Liebe kreist: „I heard you stirring in your sleep last night / I was awake with something on my mind / What happens when I leave? Will you come with me? / These things I guess I’ll never know” (v. 1 bis 4).[xlv] Die Frage nach der Existenz eines Gottes (bzw. des ‘Jenseits’) wirkt hier zunächst als Komparativ eines Liebesschwurs. Die anschließende Bridge aber transzendiert diesen Gedanken, indem sie nach den Inhalten des Traumes (des oder der Angeredten) fragt: „Tell me, who do you see when you die in your dreams / Tell me, who do you touch when you come in your dreams” (v. 5f.). Insofern der Traum als eine Art Zwischenraum eingeführt wird, welcher sowohl die Todeserfahrung kommunizierbar macht als auch Projektionsfläche sexueller Sehnsüchte ist, vermischen sich die Betrachtungen des lyrischen Ichs („something on my mind“) mit der Ursache der nächtlichen Unruhe des Gegenübers („heard you stirring“). Während letzteres im sechsten Vers seine petite mort erleidet, liegt ersteres wach und hängt am Rande der Eifersucht stehenden („who do you touch“) Reflexionen nach.
SONG THE VERVE „Lord I guess I’ll never know“
Die Verknüpfung von Beziehungsdenken und Glaube strukturiert auch die zweite Strophe. Das eigene Misstrauen erkennend, erklärt das lyrische Ich seine generelle Wissbegier, „I know that sometimes I get lost / Been asking questions since the day I could talk“ (v. 7f.), und formuliert die Frage um: „Life is sweet but when my bones get cold / Will you be there for me to hold?“ (v. 9f.). Damit ist in unserem Korpus erstmals die Angst vor dem Tod als Movens des Glaubens berührt und präsentiert sich die Liebe als Konzept zur Bewältigung der Angst. Die nachfolgend paarweise wiederholte Bridge variiert den letzten Vers: „Tell me, could it be [...] / you holding me?” (v. 14f.). Die Permanenz der Liebe und die Heilserwartung laufen parallel. Bemerkenswert ist vor allem der nun repetitive Einsatz der Titelzeile, welche im Zusammenhang des Textes eine (anti-)religiöse Konnotation erfährt: „Oh Lord I guess I’ll never know“ (v. 16/18/20 etc.). Der Satz ist mehr als die paradoxe Anrede eines möglicher-weise nicht existenten Gottes. Der zweifach markierte Irrealis („guess“ und „never know“) legt nahe, dass der Tod (jetzt in atheistischer Manier vorgestellt als traumloser Schlaf) das Ende des Bewusstseins bezeichnet, und damit die Liebe diesen zwar überdauern, aber vom lyrischen Ich nicht mehr wahrgenommen werden könnte. Wieder unterminiert die sprachliche Form das aufgerufene Konzept, oder verhindert doch eine Entscheidung zugunsten eines Entwurfs. Gerade in vorliegendem Fall aber kann die Unbestimmtheit als (in doppeltem Sinne) Erklärung des Textes stehen. Es hatte wohl niemand eine Antwort erwartet.
Repeat and fade
Die Überlegungen erreichen in dieser Aporie ihr vorläufiges Ende. Am Beispiel des Liedes „Lord I guess I’ll never know“ deutet sich an, dass die Bezeichnung Gottes als Konzept „by which we measure our pain“ einen Reflex auf jenes Phänomen darstellt, das Roland Barthes dem Schlagwort vom „Tod des Autors“ subsumiert. Dem Verlust eines letztgültigen SIgnifikats, als welches die Vorstellung Gottes sich im abendländischen Denken präsentiert, folgt ein Einbruch der individuellen Verortung im ‘Text’ der Welt, in einem grand récit. An seinen Platz aber treten keine neuen Entitäten, weder das Selbst noch die Liebe, ohne dass Gott sich in Gestalt des einen, bestimmenden Logos restituierte. „Denn eine Fixierung des Sinns zu verweigern“, schreibt Barthes, „heißt letztlich, Gott und seine Hypostasen [...] abzuweisen“ [Barthes 2000, 191]. Was bleibt, ist der discours, die spezifische Form der Darstellung.
Vor allem Pulp und Blur (nach Aussage Noel Gallaghers von Oasis die beiden einzigen echten Vertreter des Britpop) schöpfen ihren Pop-Appeal aus dem virtuosen Spiel mit sinnzentrierenden Diskursen. Die Hybridität des popmusikalischen Textes, als einer Verbindung der fixierten Partitur und ihrer aktuellen Realisation, befördert wie vielleicht keine andere Kunstform die Auseinandersetzung. An jeder Ecke lauert die Fortschreibung des Textes, sei es in Paratext, Videoclip und Performance, sei es im Medium der Vermittlung oder im Auge des Rezipienten, welcher mit einem Lied eine bestimmte Situation, einen episodisch relevanten Moment oder ähnliches verbindet und selbst aktiv Sinnstiftung betreibt. Indessen kennt der Popsong keine den Klangprozess überdauernde Konsequenz; „you just have to carry on.“
[i] Cf. John Lennon, John Lennon/Plastic Ono Band, Apple/EMI 1970. [=Lennon 1970, Track]
[ii][ii] Lennon kam es wohl gerade darauf an: Seine Person der Festschreibungen zu entledigen, welche der Diskurs im Zuge der Beatlemania um ihn geschlungen hatte.
[iii] Die ‘Wiedergeburt’ zielt vermutlich auf die Urschreitherapie Arthur Janovs, welcher Lennon sich kurz vor Veröffentlichung des Albums unterzogen hatte, um seine Drogensucht zu überwinden. Cf. Alan Posener, John Lennon. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg 1987, S. 104ff. [=Posener 1987]
[iv] Cf. Friedrich Nietzsche, „Der tolle Mensch“, in: ders., Die fröhliche Wissenschaft, Stuttgart 2000 (1882), §125.
[v] Cf. Heinrich Detering, Bob Dylan, Stuttgart 2007, S. 131.
[vi] Cf. Paul Weller, “Uh Huh Oh Yeh”, vom Album Paul Weller, Island 1992, 1.
[vii] Cf. Nik Cohn, AWopBopaLooBop ALopBamBoom. Pop History, Reinbek bei Hamburg 1971.
[viii] Cf. Roland Barthes, „Der Tod des Autors”, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, hrsg. und kommentiert von Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko, Stuttgart 2000, S. 185 bis 193. [=Barthes 2000, Seite]
[ix] Beispielsweise kontraktiert das Lied “Don’t look back in anger” von Oasis [vom Album (What’s the story) Morning glory?, Sony 1995, 4] die Titel der Dylan-Dokumentation D.A. Pennebakers (Dont look back, 1966) und des Dramas von John Osborne (Look back in anger, 1956). Das Stück „Wonderwall“ [ebd., 3] zitiert das erste Soloalbum George Harrisons (Wonderwall music, 1968) etc.
[x] Dieser Gedanke folgt: Heinrich Detering, „Die Tode Nietzsches. Zur antitheologischen Theologie der Postmoderne“, in : Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 52. Jg, Stuttgart 1998, S. 876 bis 889.
[xi] So präsentierten sich Oasis zu Beginn ihrer Karriere vehement als die ‘neuen’ Beatles.
[xii] Cf. Pulp, Different class, Island 1995. [=Pulp 1995, Track]
[xiii] Cf. Pulp, This is hardcore, Island 1997. [=Pulp 1997, Track]
[xiv] Cf. The Verve, Urban Hymns, Virgin/Hut 1997. [=Verve 1997, Track]
[xv] In Bezug auf die oben problematisierte Autorschaft begegnet ein signifikanter Backlash: „Bitter Sweet Symphony“ basiert auf einem Sample, das dem Stück „The Last Time“ entnommen ist. Nach einem erbitterten Rechtsstreit wurde die Komposition des Liedes zu einhundert Prozent den Rolling Stones zugesprochen.
[xvi] Zum Begriff der ‘grand récit’ cf. Jean-François Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Wien 1986. „Man sieht daran, daß die Legitimierung des Wissens durch eine Metaerzählung, die eine Geschichtsphilosophie impliziert, zur Frage über die Gültigkeit der Institutionen führt, die den sozialen Zusammenhang bestimmen: Auch sie verlangen, legitimiert zu werden. So sieht sich die Gerechtigkeit ebenso wie die Wahrheit auf die große Erzählung bezogen.“ [Lyotard 1986, 14]
[xvii] Wellers Interpretation von Mod geht dabei weit über die ursprüngliche Idee eines „clean living under difficult circumstances“ hinaus. Zusammen mit The Clash, The Specials und The Smiths bildeten The Jam den linken Flügel des damaligen UK-Independent.
[xviii] So in Titeln wie “All gone away” (“come take a walk upon these hills / and see how monetarism kills / whole communities”) und “Walls come tumbling down” (“the public enemy Nō 10 / those who play the power game / they take the profits / you take the blame”). Cf. The Style Council, Our favourite shop, Polydor 1985.
[xix] Cf. Paul Weller, Stanley Road, GO! Discs/Island 1995. [=Weller 1995, Track] Die Transkription des Textes folgt derjenigen des Booklets. Als Autor des Liedtextes zeichnet Paul Weller.
[xx] Weller zitiert hier unvollständig Matthäus 7,15. Dort heißt es: “Beware of false prophets, who come to you in sheep's clothing but inwardly are ravenous wolves.” Das fehlende Pronomen ‘of’ scheint der Umgangs-sprachlichkeit des Liedtextes geschuldet zu sein, da eine direkte Adresse („Beware, false prophets!“) im Zusammenhang der nachfolgenden Aufforderung („take a stand“) wenig Sinn ergibt. Die falschen Propheten besetzen ja einen Standpunkt, insoweit sie diesen zu verschleiern suchen.
[xxi] Problematisch ist das Adjektiv „false“ in zweierlei Hinsicht: Eine Warnung vor einem Propheten, der ‘falsch liegt’, ist müßig. Ein ‘vorgeblicher’ Prophet aber hat entweder Recht mit seiner Vorausdeutung, dann ist er ein Prophet, oder er hat nicht Recht, dann affirmiert die Anrede eine an sich gegenstandslose Selbstbezeichnung.
[xxii] Im Deutungsspektrum des Prädikats „cracked up“ liegt dabei sowohl das ‘Aufbrechen’ (engl. ‚crack’) des Glückeskekses als auch das ‘Aus- oder Kaputtlachen’ (engl. ‚crack up’) sowie der Normverstoß (engl. ‚cracked’ entspricht in etwa dem deutschen ‚übergeschnappt’).
[xxiii] Möglicherweise ließe sich das ‘Wissen’ als Faktor einsetzen.
[xxiv] So steht beispielsweise in Luthers Bibelübersetzung HErr im Gegensatz zur Standesbezeichnung Herr.
[xxv] In Ex 31,19-24 begegnet das gleiche Motiv: Auch das goldene Kalb der Israeliten fällt, und Moses ist es, der diesen zerstörerischen Akt durchführt.
[xxvi] Cf. Friedhelm Marx, „Heilige Autorschaft? Self-fashioning-Strategien in der Literatur der Moderne“, in: Autorschaft. Positionen und Revisionen, hrsg. von Heinrich Detering, Stuttgart/Weimar 2002, S. 107 bis 120. [=Marx 2002, Seite]
[xxvii] Die Transkription des Textes folgt derjenigen des Booklets. Als Autor des Liedtextes zeichnet Jarvis Cocker.
[xxviii] Schlüsselwort dieser Lesart ist das Pronomen „this“. Dabei wird das Schreiben des Textes im Text bzw. die Beschreibung des weiteren Handlungsverlaufes aus einer internen Fokalisierung heraus als Kurzschluss angesehen. Die Variante, dass mit „song“ lediglich die Komposition des Liedes gemeint sein könnte, bleibt unberücksichtigt.
[xxix] Gleichfalls entautomatisiert sich die Wahrnehmung der Liebe als „BIG SINN“ (Rainald Goetz).
[xxx] Hier ein weibliches Geschlecht anzunehmen, folgt den Regeln des aufgerufenen Schemas.
[xxxi] Das zweifache „we“ fungierte nicht als Bezeichnung einer Peergroup (i.e. der Gemeinschaft der sich mit dieser Aussage attributierenden Fans), sondern als Kollektivum der in der erzählten Welt verhandelten Figuren.
[xxxii] Beispielsweise beginnt „Mis-shapes“, das erste Lied des Albums, mit den Worten: „Mis-shapes, mistakes, misfits / raised on a diet of broken biscuits / oh, we don’t look the same as you / we don’t do the things you do / but we live round here, too.“ [Pulp 1995, 1]
[xxxiii] Das Video zu „Disco 2000“ verfolgt das Ausgehverhalten zweier junger Menschen. Im Bildhintergrund tauchen oftmals die Pappaufsteller aus dem Booklet auf. Das Video zu „Something changed“ hingegen zeigt die Band in einer Performance (in der sich außer der Perspektive demonstrativ nichts ändert). Regisseur beider Videos ist Pedro Romhanyi (GB 1995/96).
[xxxiv] John Lennon soll (nach Aussage Noel Gallaghers) auf die Frage, was Rock’n’Roll für ihn bedeute, geantwortet haben: „Be here now.“ Oasis jedenfalls benannten ihr 1997er Album Be here now [HelterSkelter/Sony 1997].
[xxxv] Cf. Blur, The great escape, Food/Parlophone 1995. [=Blur 1995, Track] Die Transkription des Textes folgt derjenigen des Booklets. Als Autor des Liedtextes zeichnet Damon Albarn.
[xxxvi] Cf. John Langshaw Austin, How to to things with words/Zur Theorie der Sprechakte, deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny, Stuttgart 1979 (Oxford 1962). [=Austin 1979, Seite] Als Unglücksfälle führt Austin solche Äußerungen an, zu denen „kein [konventionales] Verfahren existiert oder üblich ist, wo man sich auf das Verfahren unter den falschen Umständen beruft und wo das Verfahren fehlerhaft oder unvollständig angewandt wird.“ [Austin 1979, 58]
[xxxvii] Jacques Derrida diskutiert die Möglichkeit und Notwendigkeit des uneigentlichens Sprechens in der Alltagssprache in „Signatur Ereignis Kontext“, in: ders., Randgänge der Philosophie, hrsg. von Peter Engelmann, aus dem Französischen von Günter R. Sigl u.a., Wien 1988 (Paris 1972), S. 291 bis 314.
[xxxviii] Man denke an Titel wie Sam Cookes „A change is gonna come“ (1965).
[xxxix] Auch das vorletzte Stück des vorliegenden Albums, „Entertain me“ [Blur 1995, 14], diskutiert dieses Problem.
[xl] Stanley Kubricks Film A Clockwork Orange (GB 1971) ist sicherlich ein wichtiges Vorbild.
[xli] Cf. Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus/Logisch-philosophische Abhandlung, Frankfurt am Main 1963 (London 1922), S. 90: „Daß die Welt meine Welt ist, das zeigt sich darin, daß die Grenzen der Sprache [...] die Grenzen meiner Welt bedeuten.“ (Hrvh. i.O.) Desgleichen Nietzsche, 1882.
[xlii] Jean-François Lyotard sieht in dieser Bewegung das ‘Erhabene’ in der Moderne. „Die moderne Ästhetik ist eine Ästhetik des Erhabenen, bleibt aber als solche nostalgisch. Sie vermag das Nicht-Darstellbare nur als abwesenden Inhalt anzuführen, während die Form dank ihrer Erkennbarkeit dem Leser oder Betrachter weiterhin Trost gewährt und Anlaß von Lust ist.“ Cf. Jean-François Lyotard, „Beantwortung der Frage: Was ist postmodern?“, in: Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart, mit einer Einführung hrsg. von Peter Engelmann, Stuttgart 1990, S. 33 bis 48 (hier S. 47).
[xliii] Wovor aber fürchten sich Wörter? Vor der Bedeutung?
[xliv] Auch diese Pose ist bei John Lennon abgeguckt. Cf. „Working class hero“ [Lennon 1970, 4].
[xlv] Die Transkription des Textes folgt mit Einschränkung derjenigen des (der Japan-Edition beigegebenen und teilweise fehlerhaften) Extra-Booklets. Als Autor des Liedtextes zeichnet Richard Ashcroft.