25. Oktober 2003

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Der Parodistische Simulations-Index vermerkt unter der Abkürzung PSI, dass es sich dabei um mehr oder weniger phantasievolle bis absurde Erklärungen für Leute handelt, die Erscheinungen, die sich rational voll gültig erklären lassen, um die Ecke bringen. Und wenn man durch die Vorführung von Protokollsätzen, z.B. dadurch, dass man zeigt, was eine Kamera aufgezeichnet hat, obigen Anhängern eine kleine Delle in ihre Überwölbungsstrategie versetzt, geben sie vielleicht für diesmal nach, aber nicht ohne zu sagen, dass der eigentliche Dachschaden bei einem selbst liegt.

Die Maus (oder war es eine Ratte?) am Anfang des Films kann freilich nichts dafür, dass sie den PSI-Faktor zugleich anknabbert und durch Eigensubtraktion wieder herstellt. Das eigentlich Rätsel des Films besteht aber darin, warum nur der Kommissar (Axel Milberg) mit der Fähigkeit zum inneren Monologisieren ausgestattet ist. Denn es wäre eine Lüge, würde man behaupten, die Geschichte würde nur aus seiner Perspektive her erzählt. Aber man hat sich anscheinend dazu entschieden, der Erzählung etwas Onkelhaftes zu geben, wozu sehr gut passt, dass inmitten des Ermittlungsprozesses schon einmal eine kleine Anspielung auf das gute Ende eingeworfen wird. Das eigentliche Thema des Krimis ist also nicht PSI, sondern ganz schlicht das allen bekannte Alltagsphänomen Missverständnis. Das fängt mit der Eingangsszene mit der Ratte oder Maus an. Da es sich hier um einen Entführungsfall handelt, liegt nichts näher, als das falsche Mädchen zu entführen, denn sie ist das richtige Mädchen am falschen Ort, ein Aschenputtel unter lauter kleinen Prinzessinnen (die Schule). Das Mädchen wohnt unterirdisch, was einiges erklärt bezüglich ihrer seltsamen Begabung. Und ist die Entführung überhaupt eine Entführung? Die neue Kollegin des Kommissars führt gute Argumente ins Spiel, muss aber doch klein beigeben gegenüber der zwanzigjährigen Erfahrung von Borowski, der diese zu einem entscheidungsschweren Gefühl verdichten kann. Was nicht trügt, aber dazu bedarf es eines Anrufs, der die Entführung wieder zu einer Entführung macht. Aber einer der Entführer ist eigentlich gar kein Entführer, er ist schwer krank, hat selbst eine Tochter, und will plötzlich das Geld nicht mehr, mit dem er seine Therapie bezahlen wollte. Und selbst der Lehrling Dieter, der Schwarm der Entführten, stellt sich gegenüber den Ermittlern so selbstbewusst und verantwortlich dar, dass man nicht so recht weiß, wo der PSI-Tick eigentlich herkommt. Und der Tick seinerseits ist nicht krankhaft, sondern ganz alltäglich, Zeugen sehen, was sie sehen wollen.

Aber der eigentliche Clou des Films besteht darin, die circa hundertjährigen Errungenschaften einer Konjekturalwissenschaft, Sigmund Freuds „Traumdeutung“, so zu bemänteln, dass sie noch nicht einmal zum paranormalen Phänomen taugen. Manchmal hat man einfach genau den richtigen Traum zur richtigen Zeit, und das Märchen vom Aschenputtel ist neu erzählt worden, als Trost genau zur richtigen Zeit.

 

Dieter Wenk

 

Stahlnetz: PSI (Mai 2002)