3. August 2008

Alles ist möglich

 

Lohnt sich Verbrechen doch? Diese Frage stellt sich bei der Lektüre des Romans Tiburn von Iain Levison wiederholt. Darin wird der ehrgeizige Jungprofessor Elias White ausgerechnet von einem flüchtigen Bankräuber beobachtet, als er mit der minderjährigen Tochter seiner Nachbarn anbändelt. Großes Glück für den angeschossenen Dixon, der eine Tasche mit 100-Dollar-Scheinen mit sich herumträgt und davon träumt, in Kanada eine Farm zu kaufen und endlich ein ruhiges Leben zu führen. Ein erpressbarer Professor kommt ihm dabei gerade recht. Er braucht dringend einen Unterschlupf für ein paar Tage und dazu eine Krankenschwester, die seine Wunde versorgt. Da White Angst vor einem Skandal hat, geht Dixons Plan anfangs auf. Allerdings ist ihm schon die desillusionierte FBI-Agentin Denise Lupo auf den Fersen, die einer Spur des Geldes bis in die verschlafene Universitätsstadt Tiburn folgt. Und dort befragt sie unter anderem auch White, der zwar nicht hochgradig auffällig, aber auch nicht völlig entspannt auf sie reagiert. Doch es gibt noch andere Arten der Interpretation seines Verhaltens. Die drei Hauptcharaktere interagieren in bester Film-Noir-Manie in einer Welt, in der Korruption, Sex und Gewalt eng miteinander verflochten sind. Der Antiheld Dixon als ewig erfolgloser Verbrecher ist der männliche Sympathieträger dieses Romans. White dagegen verkörpert das fatale Zusammenspiel kleinbürgerlicher Ängste und skrupellosen Ehrgeizes. Doch auch wenn sich die FBI-Agentin darüber im Klaren ist, dass sie im Job auf dem Abstellgleis gelandet ist, nur weil sie als Frau in einer Männerwelt keine Chance auf adäquate Beschäftigung hat, ist sie deswegen noch lange nicht dumm. Und das sollte ein fauler Professor, der mit möglichst wenig Aufwand Erfolg haben will, immer im Hinterkopf behalten. Denn auch wenn nicht jedes Verbrechen aufgeklärt wird, heißt das nicht, dass man mit allem durchkommt. Statt ewigem Gut-jagt-böse-Spiel endlich mal ein Krimi, der anders funktioniert und dessen Ende nicht unbedingt vorhersehbar ist, da in einer moralisch fragwürdigen Welt eben alles möglich ist. Fast wie im echten Leben.

 

Katrin Zabel

 

Iain Levison: Tiburn. Roman, 254 Seiten, Matthes & Seitz 2008

 

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