21. Oktober 2003

Eifer sucht überall

 

Eifersucht ist nicht behandelbar. Sie gehört nicht zu den Verboten. Man gibt sich mit den Folgen ab, nachdem man den Kopf geschüttelt hat, und schließt das Kapitel. Deshalb gibt Eifersucht mentalitätsgeschichtlich nichts her, oder psychologisch, biologisch-genetisch schon gar nicht. Plötzlich stößt das Messer zu. Hätte man nicht vorher … Gab es denn gar keine Anzeichen … Doch, schon, aber … Der Film über Eifersucht würde immer zu wenig zeigen, in Bezug auf das Resultat. Außerdem wäre es langweilig. Das Muster als solches ist ja bekannt.

 

David Lynch begnügt sich nicht damit, die Seite zu wechseln und den Vorgang von innen zu beschreiben. Auch hier hätte man nur Plattitüden, wozu leider auch Gewalt gehört. Er behält die einfache Konstellation bei und inszeniert sie als genau den Aberwitz, den die Eifersucht gebiert. Die Stimmen sind am Ende. Sie hauchen aus. Oder klingen wie von plötzlich verzweifelten Kindern. Man lebt in einem Geisterhaus, das Geräusche stimmungsvoll ausleuchten. Rot ist die Farbe der Liebe, also auch der Eifersucht. Was man sieht, ist nicht das, was geschehen ist. Was zeigen die Videos, die vor der Haustür liegen? Schwer zu sagen, aber sie sind ein Symptom. Dann ist die Ehefrau tot. Fred und Renée, ein unglückliches Paar. Aber vielleicht geht es ja Peter und Sheila in der zweiten Hälfte des Films besser? Man zweifelt schnell, zu übermächtig ist die Infektion. Und dann ist da noch die dritte Frau, Alice, die die Verbindungen herstellt. Auch zu „Twin Peaks“, zur film-noir-Episode. Die wahren Opfer, so lernen wir, sind immer die Männer. Total abhängig. Alkoholismus ist, wie man weiß, eine Schwundsstufe dieser Abhängigkeit. Die Frauen sind zwar auch abhängig von den Männern, aber anders, sie haben die Kontrolle, sie geben wirklich das, was sie haben (eine Zeit lang), und das ist zwar nicht Liebe, aber immerhin Sex. Frauen können sich entziehen, Männer nicht.

 

Der zweite Teil dieses Films führt die Vernichtung vor, mit der der erste Teil schon begann. In einem kurzen dritten Teil werden die Episoden miteinander vermischt, was formal ja genau dem Prinzip Eifersucht entspricht. Konstruktion wider alle Logik. Darin aber konsequent. Deshalb ist das eigentlich immer abgewandte Mondgesicht plötzlich überall zu Hause. Es ist der Vollmond der anderen Seite. Er macht es auch, dass die Betroffenen glauben, dass andere zu nah auffahren. Sie wissen nicht mehr, was Distanz ist. Und schon gibt es Gewalt. Was die Scharnierstellen des Films angeht, so sind sie ein Witz, aber man hat trotzdem oder gerade deshalb gelacht. So der Übergang von der Fred- zur Peter-Episode. Einer der Gefängniswärter zum anderen: Der Typ, der seine Frau umgebracht hat, sieht gar nicht gut aus. Und der andere: Welcher denn? Die Polizei lacht immer am besten. Aber sie kommt auch immer zu spät.

 

Dieter Wenk

 

David Lynch, Lost Highway, USA/F 1996