11. Juni 2008

Lieber ungewöhnlich

 

Auf "Ebba" (2005), dem vierten Album der Hamburger Band Ja König Ja, singt Ebba Durstewitz einen programmatischen Satz: "Hauptsache ist doch, es wird nicht gewöhnlich." Gewöhnlich wie: zu einfach, nicht komplex oder abseitig genug. Musikalisch ging es darum, Klischees zu meiden, um möglichst freies Komponieren. Und so ließ die Band um Durstewitz und Jakobus Siebels Banjo, Celli, Spinett, Posaunen, Klavier und Chöre erklingen, warf ein paar feine Dissonanzen in die Zwischenräume, torpedierte luftig und schwungvoll zugleich das Strophe-Refrain-Prinzip und pflegte wahlverwandtschaftliche Beziehungen zu ähnlich freien Geistern wie Stereolab, Laika, Robert Wyatt oder FSK.

Der programmatische Satz trifft nicht weniger auf "Die Seilschaft der Verflixten" zu, im Gegenteil: Die neuen, wiederum reich und originell instrumentierten Songs müssen ein paar Runden länger drehen, um im Ohr zu landen. Und selbst dann bleibt vieles eckig, fast sperrig. Wie Ja König Ja darauf beharren, der komplexen Leichtigkeit, die sich auf dem Vorgänger in formschönen elliptischen Songkreisbahnen ausdrückte, ein ambitioniertes Schnippchen zu schlagen, ist nicht zu überhören. Besser finden muss man das nicht.

Aber man kann es in Beziehung setzen zum Rest: Weil die Musik weniger (er)greift, wirken Durstewitz' Stimme und Texte seltsam freigestellt, irgendwie nackt. Und noch ein bisschen eigensinniger als sonst, obwohl sie im Grunde so vorgeht wie auf "Ebba". Mal mit kühler Präzision, dann wieder leise und beinahe zärtlich, akzentuiert und punktiert sie ihre Sätze so, dass sie kleine, musikalisch abgeschlossene Einheiten bilden. Was sie da singt, sind gleichermaßen lyrische Lektionen in Hermetik wie Offenheit. Wenn sie etwa von 30.000 toten Derwischen erzählt, kann das alles bedeuten, sogar politisch gemeint sein; es passt auch zu den starken Märchen- und Theatermotiven des Albums.

Durstewitz ist verliebt in die lyrische Kraft, den Klang und die Bedeutungsvielfalt von Worten; manchmal wirkt das ein bisschen angestrengt. Dann wieder lenkt sie anhand der einfachen Wortfolge "du giltst" mit viel Geschick die Aufmerksamkeit auf diesen ganz und gar nicht einfachen Anerkennungsaspekt sozialer Beziehungen. Und ausgesprochen niedlich ist ja wohl dieser Gedanke: "Und wo versteckt sich die Musik, wenn man sie grad nicht hört?"

 

Michael Saager

 

Ja König Ja: Die Seilschaft der Verflixten. Buback/Indigo 2008

 


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