26. Mai 2008

Bei Gutenberg zum Kaffee

 

Paul Celan übersetzt Arthur Rimbauds »le Bateau ivre« 1957, es wird »das trunkene Schiff«. Celan ist stolz wie Bolle, es ist wirklich gut geworden, auch die Lyrikgemeinde frohlockt. Als Leser des schmalen Insel-Bändchens wird man von all diesen Verzückungszuständen genauestens unterrichtet. Denn der Band beinhaltet neben dem Gedicht in zweisprachiger Ausführung Dokumente, Briefwechsel, also allerlei Schnurren, die mit der Herstellung eines Druckerzeugnisses notwendig einherlaufen. Immer.

 

Wie viele Kratzfüße und Artigkeiten jeder Form und jeden Verblendungsgrads in den Briefwechseln zwischen Lektoren, Autoren, Übersetzern, Freunden des Verlags, Druckern und einflussreichen Gönnern getauscht werden, ist so himmelschreiend komisch, dass man kaum mehr das Gedicht lesen kann, ohne zu kichern.

 

Von der Auflagenhöhe bis zur Covergestaltung bleibt kein Punkt unerwähnt, ohne dabei je den hohen Ton, angemessen der Würde des Geschäfts, zu verlieren. Als käme Moses mit seinen Gesetzestafeln aus dem Gebirge zurück, nachdem er bei Gutenberg zu Torte und Kaffee war – so unendlich würdevoll und gravitätisch, so geziert und geckenhaft durchdrungen von der äquatorverschiebenden Leistung für die Lyrik, also für die Welt, sind die Korrespondenzen. Jeder, der sich grämt ob der unverständlichen Hochkunst sei dieses Bändchen empfohlen - als Gegengift. Denn jeder dieser Dokumentenschnipsel beschreibt getreulich die Methode der Produktion von Bedeutung, als fortgesetztes mal tändelnd klingelndes oder brausend orchestrales Getöse der Eitelkeit. Ganz wunderbar.

 

Nora Sdun

 

Arthur Rimbaud: Das trunkene Schiff \ Le Bateau ivre. Mit einem Nachw. hrsg. v. Joachim Seng. Französ.-Dtsch. Übertr. v. Paul Celan, Insel-Verlag 2008

 

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