30. April 2008

Space-Invaders from Spaß

 

Das Minihörspiel, ein Ort, an dem die Fantasie kochen und herumbaldowern kann, ein Spektakel des Irrsinns und der völligen Überdrehung absurder Zustände, eine Halde der farbigsten Fantasien und knorkigster Ideen hat u.a. im Deutschlandradio Kultur in Kurztrailer-Form seinen Sendeplatz gefunden: "Wurfsendung" heißt diese, die sich da in die Öhrer des Kopfes katapultiert – innerhalb des laufenden Radiofeuilletons. "99 Minihörspiele" von jeweils 15 bis 55 Sekunden Länge sind nun vom Hörverlag auf einer CD kompiliert worden. Was im Radio in kleiner Dosis noch funktionieren mag, erweist sich in seiner geballten Ladung als schwierig.

 

Es sind nicht nur die überaus aufgekratzten, exaltiert daherquakenden Stimmen, die des Überbetonens nie müde, einem schon nach drei Tracks auf die Nerven gehen können. Kein Mensch redet so, außer eben professionelle Sprecher. Fast möchte man meinen, dies sei eine Kaste für sich, die auch unter sich bleiben sollte. Als Kultur-Stalinist könnte man rufen: Bitte jeden Außenkontakt meiden! Nie in die Nähe eines Mikros sprechen! Eintreiben! Isolieren! Folgte die Spezies dieser Bitte, wäre die Atmosphäre gesäubert … Nun: Kultur-Stalinismus ist ja etwas, das aus der Mode gekommen ist. Schade, eigentlich.

 

Stattdessen wälzt es sich fort: Zu schmalzig-gesalzener Null-Musik, in der nur kurz eine Klischee-Stimmung zitiert wird, die jeder kennt, die auch egal ist, die einfach mal so eine Bar- oder Kabarett-Situation der 20er Jahre suggeriert, wird über technische Probleme mit Computern drangsaliert. Anrufe aus dem Marktforschungsinstitut, Autoprobleme, Beziehungsgesprächsfetzen, Rekorde, Statistiken … all das findet in kleinen Häppchen Erwähnung und könnte lustig sein, wäre da nicht diese normierte Ästhetik des Radios, die aus allem herausfiltert, was zu laut poltert, stört oder erschrecken könnte. Nervige Gesänge zwischen den Stücken (“Doodley, beedley, badla da, dadddley, doodley, doo, badly, sabbaab, satz und supf” und ähnlich) erschweren den Durchlauf.

 

Hier gibt es keine politische Haltung, keine weitergehenden Absichten als die Darstellung alltäglicher Kämpfe mit der vermeintlichen Absurdität des Alltags. Es sind akustische Glossen, pseudokritische Abrechnungen mit der Tücke, dem Teufel im Detail und dem Haar in der Suppe, die die verloren gegangene Souveränität des Menschen monieren. Gab es diese jemals? Ob Therapiesitzung beim Taxifahrer, wutentbrannter Rede über das Essverhalten, jahrgangstypische Tätigkeiten, Pauschalreisen ... all das soll lustig sein. Manchmal ist es dies auch. Und manchmal wünschte man sich, die grauenvolle Unerträglichkeit mancher Zustände würde in unerträglicher Manier geschildert und fühlbar gemacht werden. Der Witz erstickt jedes Problem, statt es in einer angemessenen Dimension auszudrücken. Vielleicht ist es ein Lachen, das raus musss, erledigt werden soll, weil die Zustände für unabänderlich gehalten werden sollen oder müssen.

 

Manchmal gibt es Ansätze zur gelungenen Prosaminiatur (" … vielleicht hätte man doch das Sprachzentrum ausschäumen sollen", heißt es in “Dolmetscherin” aus der Serie ‘Nano und Mü’), oder ehrlich bös gemeintes (wie “Noch bin ich da” als AB-Begrüßung der alten Lotte), was auf der seifigen Oberfläche des Spaßmarathons etwas Halt gibt.

 

Wem alles ein bisschen egal ist, der wird mit den “99 Mini-Hörspielen” viel Spaß haben. Wer nicht aushält, wie Öffentlichkeit mit Gleichgültigem zugekleistert wird, dem empfehle ich den anarchischen Helge Schneider.

 

Carsten Klook

 

Wurfsendung - 99 Mini Hörspiele - 99 Mini - Hörspiele. Laufzeit ca. 80 Minuten, Der Hörverlag 2008

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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