LECTURE PERFORMANCE NACHT IM WISSENSCHAFTSJAHR 2007 – JAHR DER GEISTESWISSENSCHAFTEN
27. Oktober, ab 18 Uhr bis 3 Uhr, HAU 1
Künstler und Wissenschaftler versuchen in einer langen Lecture Performance Nacht das Verhältnis von Kunst und (Geistes-)Wissenschaft, Diskurs und Theorie auszuloten und Unterscheidungen oszillieren zu lassen. Ausgangspunkt ist die Frage nach dem Interesse am jeweils anderen Bereich, nach Gemeinsamkeiten, Schnittstellen, wechselseitiger Beeinflussung - und nach Unterschieden. Welcher Bereich gibt wann und wo Impulse - welcher reagiert und wie? Wo sind Ausbrüche aus der Hermetik des eigenen Denkens und Arbeitens, der Methodik und des Instrumentariums möglich? Wo passieren kreative Interventionen und Regelbrüche?
Kunst und Geisteswissenschaften umkreisen häufig, mit ihren je spezifischen Mitteln, gleiche Fragestellungen. Künstler bedienen sich wissenschaftlicher Methoden, begreifen ihre Arbeit als (künstlerische) Forschung, wenden sich gezielt einer wissenschaftlichen Reflexion der eigenen Praxis zu und andererseits arbeiten Geisteswissenschaftler nicht mit baren Fakten, sondern mit Interpretationen und Hypothesen und bewegen sich im Bereich des Spekulativen.
Gerade die performativen Künste teilen mit den Geisteswissenschaften eine Reihe von Themen, Problemen, Erkenntnisinteressen: Was ist Kreativität und wodurch wird sie begünstigt? Welche Rolle spielen Wahrnehmung, Bewegung und Sprache bei der Hervorbringung von Wissen? Wie kann sich ein Denken allgemein verständlich machen, das unauflösbar mit der eigenen Geschichte und den eigenen Sinnen verwoben ist?
Das vergleichsweise junge Format der Lecture Performance stellt eine Öffnung gegenüber dem jeweils anderen Bereich dar: In diesem hybriden Format können einerseits KünstlerInnen wissenschaftliche Denk-, Arbeits- und Präsentationsformen anwenden, andererseits aber auch WissenschaftlerInnen ihre Vortragspraxis kreativ erneuern und spektakulär erweitern.
Wissenschaftliche Vortragsform sowie künstlerische Performance wenden sich an eine Öffentlichkeit, die sie zu gewinnen und zu überzeugen suchen. Kunst und Theorie arbeiten mit Konstruktionen, die die Unterscheidung zwischen scheinbarer Objektivität und Subjektivität verschwimmen lassen. Geschichte zerfällt in Geschichten und im Akt des (autobiografischen) storytelling stellen sich Fragen nach der Produktion von Wissen neu.
Die Lecture Performance Nacht lädt dazu ein, Denken und Feiern zu verbinden. Die Liaison von Künsten und Wissenschaften ist für Überraschungen gut. Wissen bleibt nicht Sprache, sondern wird im Kontakt zwischen Performern und Zuschauern zur sinnlichen Erfahrung. Das Format Lecture Performance kann Öffentlichkeit erzeugen, die über Wissensvermittlung hinausgeht und gemeinsames Denken in den Vordergrund stellt. Aber auch konsumistische Haltungen sind möglich: Essen, Hören, Schlafen, Schauen, Quatschen... die ganze Nacht.
In einem Videoprogramm werden Beiträge von Künstlern gezeigt, die in Performances und vortragsähnlichen Situationen Fragen der Wissensproduktion bearbeiten oder sich der wissenschaftlichen Sprache bedienen, um diesen speziellen Code zu öffnen und umzulenken.
Neben der Bühne des HAU 1 werden neue Schauplätze eröffnet. Die Hinterbühne wird zur Freitagsküche. Das labelfuerproduktion schafft darin eine Plattform, in der soziale Strukturen / Räumlichkeiten vorgegeben werden, mit und in denen operiert werden kann: ein Konzept von Gastgeberschaft, Freundschaften, Einladung, Kooperation: Privatheit trifft auf Öffentlichkeit.
Die „Sphären-Versammlung. Eine paläotheatralische Installation" von urban lies bildet einen Gemeinschaftsraum aus Performern und Gästen. In einer mehrstündigen Performance werden Projekte für „hinreichend-gutes-Zusammensein" realisiert, die sich an Sloterdijks Zentralbegriff der Sphärenbildung orientiert.
Mit: Gabriele Brandstetter / Ruth Geiersberger, Armin Chodzinski, Erika Fischer-Lichte, Sibylle Peters und Matthias Anton, labelfuerproduktion (Achim Lengerer mit Anke Philipp), Thomas Meinecke und Jan Joswig, plan b, René Pollesch, Angela Richter / Eva Löbau, Claus Richter, She She Pop, urban lies, voiceoverhead, Tris Vonna-Michell, u.a.
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Forschungsverbund „Theater und Fest in Europa" der FU Berlin im Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften - Wissenschaftsjahr 2007, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
LecturePerformanceNacht.pdf
www.theater-und-fest.de
www.abc-der-menschheit.de
Am 26. und 27. Oktober wird der "Performing Science" - Preis – der Gießener Preis für wissenschaftliche Präsentation & Lecture Performance – verliehen.
http://www.performingscience.de/home/index.html