30. September 2007

Ewige Identitätssuche

 

Gogol wurde aus der Not heraus nach dem Lieblingsautor seines Vaters benannt, weil der Brief seiner Urgroßmutter mit dem für ihn bestimmten Namen den Weg von Kalkutta nach Boston nicht geschafft hat. Der Sohn bengalischer Einwanderer leidet unter seinem ungewöhnlichen Namen - so sehr, dass er ihn am liebsten ablegen und ein ganz neues Leben anfangen würde. Kaum im College gibt es - statt chaotischer Feiern mit sämtlichen bengalischen Freunden der Familie - Dinnerpartys mit viel Wein und intellektuell anregender Unterhaltung. Dazu gehören natürlich auch die entsprechenden amerikanischen Freundinnen, für die sein familiärer Background jedoch höchstens als exotische Kulisse fungiert, doch niemals ernsthaft in ihr Leben integriert werden würde. Genauso will es Gogol auch, doch dann stirbt sein Vater und er erkennt, dass ein neuer Name die Suche nach der eigenen Identität nicht unbedingt einfacher macht.

Die Autorin, die für ihr Debüt, einer Sammlung von Kurzgeschichten, schon den Pulitzer-Preis gewonnen hat, betritt mit ihrem ersten Roman thematisch nicht unbedingt Neuland, schließlich ist alles, was mit interkultureller Identität zu tun hat, heute ja irgendwie modern. Allerdings schafft sie es, die verschiedenen Identitätskonzepte und kulturellen Grenzen auszuloten, ohne jemals in Klischees abzudriften. Stattdessen gelingt ihr etwas Einfacheres und zugleich Größeres: Sie erzählt die Geschichte eines Mannes und seiner Familie, mitsamt all ihren Hoffnungen und Problemen. Da ist deren bengalische Herkunft und das Leben in Amerika fast nebensächlich, obwohl Lahiri die verschiedenen Kulturen sehr genau und mit Liebe zum Detail skizziert, denn schließlich ist die Suche nach der eigenen Identität etwas Universelles, das durch die Balance zwischen zwei Kulturen zwar verstärkt wird, jedoch nicht zwingend nur dadurch bedingt wird. Auffällig an dem Roman ist auch die fast journalistisch knappe Sprache, die in einem starken Kontrast zu den oft ausschweifenden Wortspielen anderer Autoren mit anglo-indischem Hintergrund steht.

 

Katrin Zabel

 

Jhumpa Lahiri: Der Namensvetter, btb 2007

 

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