11. September 2007

Die Antiklimax

 

Eine Folge nicht eintretender Katastrophen als Roman

 

Thomas Glavinic ist mit seinem neuen Roman »Das bin doch ich« auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2007.

 

Oh mein Gott, dem Himmel sei Dank, nicht weil das jetzt so ein besonders gutes Buch ist, aber dafür garantieren diese Listen ja ohnehin nicht im Geringsten. Nein, es ist schön, dass der jüngste Roman von Thomas Glavinic auf der Longlist ist, weil die Longlist ständig Thema des Textes ist, denn dort will Thomas Glavinic hin - auf die Shortlist auch und dann am liebsten den Buchpreis bekommen, auch die Auflagenzahlen, die beneidenswerten Erfolge seines Freundes Kehlmann und eben dieser ganze blödsinnige, aber eben unvermeidliche, sehr wirkliche und wirksame Tratsch dieser Szene. Sodass nun das faktische Erscheinen auf der Longlist, einem das Hin- und Herspringen zwischen Gossip und Roman vereinfacht. Das heißt allerdings für Leser, die diesen Idiotenzirkeln selbstgerechter Wichtigtuer, die bei steigendem Alkoholpegel vor öffentlichkeitswirksamen Ausfällen misanthropischer oder euphorischer Art nicht zurückschrecken, eher fernstehen, der Spaß an »Das bin doch ich« vermutlich reduziert ist.

Wer nie einen Kulturförderantrag gestellt hat, weiß nichts von den bizarren Missverständnissen, die sich dabei auftun können. Thomas Glavinic ist klug genug, das nicht näher zu erklären, er berichtet nur davon und das ist zuverlässig komisch, allerdings nur für die Antragssteller unter den Lesern. (Vermutlich sind das aber genug, um seinem Roman diesmal mehr als 8000 verkaufte Exemplare zu bescheren – diese Zahl ist ein ständiges Menetekel des Romans.)

Selbstzweifel gehören zum Geschäft, und wenn einem gerade kein geschriebenes Material vorliegt, weil man das Votum der Agenten, des Lektors, des Verlags, des Freundes etc. abwarten muss, weicht man aus auf den Körper, zu dick, zu wenig Haare, asymmetrische Hoden, überhaupt kein vergeistigtes Intellektuelles Gesicht – es ist ein Jammer. Allergische Reaktionen, Hypochondrisches sonder Zahl – es ist zu viel, aber es stimmt wahrscheinlich. Der Autor im Buch, der einem als Thomas Glavinic vorgestellt wird, ängstigt sich immer. Und beim Entlastungssaufen dosiert er dann so unvorsichtig, dass ihn nach kurzer Entspannung in Bälde die Paranoia anfällt. Ist alles bekannt und ziemlich typisch. Man möchte meinen, es sei vielleicht besser, wenn der in »Das bin doch ich« von sich selbst berichtende Autor nicht gar so typisch wäre, andererseits wäre Thomas Glavinic dann Gefahr gelaufen, einen schlimmen Künstlerroman vorzulegen, mit Drama, Klimax und Katharsis. Das hat er nicht. Das ist o. k.

 

Nora Sdun

 

Thomas Glavinic: Das bin doch ich, Hanser Verlag, München 2007, 237 Seiten

 

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