21. August 2007

Zuschrift an den Herrn Peter Lebrecht.

 

Bester, unbekannter Freund!

Mit welcher Überraschung und welchem Vergnügen zu gleicher Zeit ersah ich aus den Zeitungen, daß Sie sich darauf legen, jene alten Historien wieder in der Lesewelt herzustellen, die man jetzt beinahe ganz vergessen hat. Ich ließ mir den Ritter Blaubart sogleich kommen, und als ich ihn geendigt hatte, fühlte ich Lust, gegenwärtige Geschichte zu schreiben, die ich Ihnen hiemit übersende. Ich wünsche, daß sie Ihnen nicht ganz mißfallen möge; ist sie schlecht, so sind Sie in einem gewissen Sinne Schuld daran.
Es wird Ihnen nicht darauf ankommen, von mir, einem ganz unbekannten Manne, gelobt zu werden, wie es denn überhaupt in der Welt gar wenig ist, wenn man gelobt wird, denn der Panegyrist meint es selten so, wie es der zu Lobende gern gemeint wissen wollte, und so könnte es gar leicht kommen, daß ich Ihnen Sottisen sagte, indem ich Ihnen recht galant tournirte Complimente beibringen wollte. Auch will ich unsern berühmten Professoren des Lobes nicht in ihr Amt greifen. Ich kann Ihnen also nur sagen, daß mir Ihr Stück gefallen hat, und daß man keine zu große Prätensionen daran machen muß. Ihr Genie hat das meinige entzündet, das ist, dünkt mich, der größte Lobspruch.
Ich habe Ihre Arbeit einigen Freunden gezeigt, die überaus kritisch sind. Einer davon hat es gar nicht gelesen, weil er behauptete, aus einem solchen Stoffe lasse sich nichts Vernünftiges herausarbeiten, der andere, der billiger ist, hat das Stück studiert, und erklärt es nur für abgeschmackt; er findet weder eine gute Anordnung der Scenen, noch eine tüchtige Moral darin; die Späße hat er vollends gar nicht verstanden, oder vielmehr nicht verstehen wollen (welches so ziemlich auf eins hinausläuft), weil sie nicht kunstmäßig genug angelegt sind. Er behauptet, die Tollheit im Stücke sey nicht toll und der Verstand nicht verständig genug, das ganze Stück Arbeit liege also noch in der Minorennität und wage es nicht recht, die Glieder aus einander zu dehnen. Was ich von allen diesen Urtheilen halten soll, weiß ich nicht.
Sie könnten aber wohl gar glauben, unbekannter Freund, ich hätte diese Wendung nur genommen, um Ihnen diese Bitterkeiten beizubringen; ich versichere Sie, daß mir eine solche freundschaftliche Spitzbüberei gar nicht ähnlich sieht, und daß wir uns gewiß einmal besser wollen kennen lernen. Leben Sie bis dahin wohl!
Nachschrift. So eben habe ich den gestiefelten Kater erhalten. Ein andrer guter Freund, der eben zum Besuch bei mir war, konnte sich nicht genug darüber verwundern, wie sich ein ernsthafter, erwachsener Mensch mit dergleichen Possen beschäftigen könne; es gäbe ja noch so Manches zu thun; warum zum Beispiel ein Schriftsteller nicht darauf komme, die Gymnastik des Herrn G. in ein Compendium zu bringen, die Geschichte der französischen Revolution in einer Fibel mit Bildern zu bearbeiten, u. dgl.; Alles dies sey den Menschen nützlich, ja wohl gar nöthig, aber keinesweges dergleichen elende Späße. Als er die Vignette auf dem ersten Blatte sah, mußte er lachen, und bat mich sogleich um Verzeihung, daß er sich von einer solchen Albernheit habe anwandeln lassen. Sie werden noch viele dergleichen Urtheile hören; ich wünschte aber dennoch, daß Sie fortführen, und wenn diese Aufforderung hier nichts hilft, so will ich sie von einem Ungenannten noch in den literarischen Anzeiger rücken lassen, damit Sie sich einbilden können, ganz Deutschland fordere Sie einstimmig dazu auf.

 

Ludwig Tieck: Die sieben Weiber des Blaubart,

Hg. von Nora Sdun, Jan-Frederik Bandel und BMW, mit einem Nachwort von Frank Witzel und Messerschnitten von Marco P. Schaefer, 168 Seiten, 7 schwarz-weiße Abbildungen, gebunden, 14,90 €, Textem-Verlag 2007, Gespenster-Bibliothek Band 1, ISBN 978-3-938801-31-4

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