20. Juli 2007

Männerleid

 

Nicht so schlimm? Doch. Ganz schlimm. Spätestens seit Benjamin von Stuckrad-Barre und Konsorten wissen wir ja, dass in Buchform zelebriertes männliches Selbstmitleid Erfolg hat. Der deutsche Poproman mag zwar überholt sein, zu oft hat man die literarischen Ergüsse über die eigene Jugend und, noch schlimmer, die erste, ach so schlimme Liebe inzwischen lesen müssen, aber jetzt kommen die Franzosen. Der nicht mit Namen genannte Romanheld hier ist allerdings schon erwachsen, gar verheiratet und Vater zweier Kinder. Das bedeutet nun aber nicht, dass er deshalb weniger egozentrisch um das eigene Leid kreisen und sich seinem Schmerz hingeben würde. Die Geschichte ist schnell erzählt: Sie beginnt in einem Restaurant in Italien, wo der Erzähler, zu Besuch bei seinem Vater, von einer fremden Frau die Telefonnummer erhält. In Rückblenden erfahren wir nun von seiner 10-jährigen Beziehung zu seiner Frau, seinem erst- und einmaligen Seitensprung vor ein paar Monaten mit einer unbekannten Tänzerin, für den sich seine Frau Alexandrine mit einer Urlaubsaffäre rächt und seinem anschließenden furchtbaren Leiden ob dieses Ereignisses. Das Ganze ist als Monolog aufgebaut, der Erzähler beichtet sozusagen einem ebenfalls nicht namentlich genannten Freund. So weit, so gut, könnte man sagen, so ist eben das Leben, was ja auch ganz richtig ist. Doch zurück zur Geschichte, er trifft sich, obwohl er sie natürlich eigentlich erst gar nicht anrufen wollte, am nächsten Tag mit dieser unbekannten Frau und verliebt sich ganz fürchterlich in sie. Die beiden bleiben in Kontakt, obwohl sie auch das natürlich eigentlich nicht wollten, aber die Macht der Liebe ist stärker, und fortan weiß der arme Mann lange Zeit nicht mehr, was er will. Alexandrine oder Alice? Das ist die Frage, und bis zu ihrer Beantwortung vergeht viel Zeit und er leidet ganz furchtbar. Das ist ja grundsätzlich legitim in Trennungsphasen, erschreckend ist jedoch die absolute Selbstbezogenheit des Erzählers, seine Kinder tauchen höchstens mal in einem Nebensatz auf, und auch sein bemüht psychologisierendes Verständnis der eigenen Schwächen und der seiner Frau endet immer mit der Feststellung seines eigenen Leids. Auch das ist natürlich nachvollziehbar, am Ende einer Beziehung neigt man bekanntermaßen nicht dazu, den Expartner im positiven Licht zu sehen. Aber die Frage ist, ob man darüber fast 200 Seiten lesen muss. Trotzdem, der Roman wird in einem schnellen Tempo erzählt und wird sicher seine Fans finden. Vorrangig unter leidensfähigen Männern, denn wenn es in Buchhandlungen nicht nur Frauen-, sondern auch Männerregale gäbe, wäre er dort am besten aufgehoben.

 

Katrin Zabel

 

Nicolas Fargues: Nicht so schlimm, Roman, 192 Seiten, Rowohlt Verlag 2007

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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