Baden gehen in Kreuzberg
INTERVIEW MIT BETTINA BLÜMNER
FRAGE: Wie haben Sie die drei Mädchen kennengelernt, doch nicht etwa am Beckenrand im Freibad?
BLÜMNER: Nein, ich wollte einen Film über Kreuzberger Jugendliche drehen und da habe ich eher zufällig Klara kennengelernt, die mir dann ihre Freundinnen Mina und Tanutscha vorgestellt hat.
FRAGE: Sie sind also ohne Casting ausgekommen?
BLÜMNER: Ja, auch weil ich vom Casting als Technik einfach nicht sonderlich viel halte. Casting klingt für mich immer sehr negativ. Da denke ich an so Doku-Soaps wie „Abnehmen in Essen“, bei denen Hunderte von Aspiranten geprüft werden. Ich glaube, dass die Fernsehredakteure, die solche Ausleseprozesse durchführen, dabei allmählich den Blick fürs Wesentliche verlieren.
FRAGE: Wofür denn zum Beispiel?
BLÜMNER: Bei meiner Arbeit kommt es darauf an, eine persönliche Ebene zu den Menschen zu finden, die ich beobachte. Ich gehe eher emotional an die Sache ran, bei „Prinzessinnenbad“ wollte ich mich erst mal mit den Mädchen treffen, um sie kennenzulernen. Und das, ohne dabei eine Kamera mitlaufen zu lassen.
FRAGE: Haben Sie etwas von sich selbst bei den Mädchen wiederentdeckt, sind Erinnerungen an die eigene Pubertät wieder hochgekommen?
BLÜMNER: Ich würde mich jetzt nicht zwingend mit den Dreien vergleichen. Einfach, weil ich schon anders groß geworden bin. Aber viele Probleme kenne ich sehr wohl, wie etwa die Streitigkeiten mit den Eltern, die sich darum drehen, dass man endlich mal abends lange weg bleiben kann. Zum Teilen spielen sich bei den Mädchen im Alter von 15 aber auch Dinge ab, die ich selbst erst so richtig mit 20 durchlebt habe. Ich würde mich aber deswegen keineswegs von ihnen abgrenzen wollen. Ich habe schließlich keinen Problemfilm gedreht.
FRAGE: Wurde Ihnen das denn bereits unterstellt?
BLÜMNER: Es gibt bislang unterschiedliche Wahrnehmungen. Einige, die den Film gesehen haben, haben die schwierigen Beziehungen der Mädchen zu ihren Müttern betont. Ich meine aber, dass mein Film gerade von der Kraft der Mädchen lebt. Mich hat ihre lebendige und witzige Sprache und die Offenheit begeistert, mit der sie ihre Probleme aussprechen und Konflikte austragen – auch die mit ihren Müttern. Ein Ausgangspunkt für den Film war für mich letztlich auch das Interesse für die Pubertät als enorm wichtige und spannende Zeit, bei der ganz viel Kraft und Energie ins Spiel kommen.
FRAGE: Gibt es Szenen, die Klara, Mina und Tanutscha auf keinen Fall im Film haben wollten?
BLÜMNER: Es gab viele Diskussionen um Szenen, von denen die Mädchen glaubten, dass sie da nicht so toll aussehen. Inhaltlich habe ich lange mit Tanutscha über jene Passage debattiert, in der sie über ihr schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater erzählt, zu dem sie keinen Kontakt hat. Letztlich habe ich mich da durchgesetzt. Ich muss als Regisseurin auch Verantwortung übernehmen und bestimmte Dinge dann mit reinnehmen. Generell war es oft schwierig, weil die Mädchen sich lieber cool als verletzlich zeigen wollten. Aber 90 Minuten über coole pubertierende Mädchen wären absolut uninteressant. Ich wollte eine Mischung aus ihren Stärken und Schwächen zeigen – und die Schwächen machen sie letztlich auch stärker.
FRAGE: Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Film auch Schulklassen vorgeführt wird?
BLÜMNER: Ja, das haben wir angeleiert. Der Film ist bereits als Unterrichtsmaterial empfohlen worden, weil er so viele unterschiedliche Themen abdeckt. Ich würde es begrüßen, wenn „Prinzessinnenbad“ als Diskussionsgrundlage genutzt würde. Im Augenblick geht es vor allem darum, Lehrer zu motivieren, damit die dann mit ihren Klassen ins Kino gehen.
(05.07)
Die Fragen stellte Lasse Ole Hempel. Das Interview ist leicht gekürzt in Szene Hamburg erschienen.
Bettina Blümner, Prinzessinnenbad. D 2006