22. Mai 2007

Isländische Zauberkisten

 

Ein Pfarrer macht Jagd auf Füchse, er verleugnet sein behindertes Kind. Ein Schneesturm raubt dem Jäger die Sinne. Vernebeltes Bewusstsein gibt mystischen Begebenheiten günstigen Vorschub, besonders wenn man in Island ist. Abba ist tot und ein Mann verschwindet. Auf dem Friedhof wird ein Sarg gefüllt mit 30 Kilo Kuhdung in die Grube gesenkt. Ein zartbesaiteter Botaniker lüftet ein Geheimnis und dunkle Füchse tanzen im Schnee.

 

Der isländische Autor Sjón lässt sich nicht lumpen und liefert dem Leser das ganze artifizielle Programm isländischer Zauberkisten, die umso wirksamer sind, je feindlicher man die Lebenswirklichkeit zu schildern in der Lage ist. Diese Geschichte trägt sich Ende des 19. Jahrhunderts zu und erzählt von bitterem Mangel im Herz wie im Magen in einer feindlichen Umgebung – aus über die Ufer tretenden Flüssen und gestrandeten Frachtern, rücksichtslosen Bauern und brutalen Missverständnissen. Sjón schreibt auch Texte für die Sängerin Björk und man erkennt den spezifischen Sound sofort wieder, mit dem die Inselbewohner vom Polarkreis zu punkten wissen, mindestens seit dem Literaturnobelpreisträger Halldor Laxness. Ein Ton, der ständig Gefahr läuft, prätentiös abzugleiten – ein Wagnis.

 

Aber auch der Fischer Verlag lässt sich nicht lumpen und hat ein wunderschönes Buch gestaltet. Es ist eigentlich nur ein winziger Text, der in seinen vier Abschnitten zwischen Lyrik und Prosa oszilliert. Auf den schön gesetzten Seiten wird daraus ein richtiger Roman, der sich schlafwandlerisch und traumverloren lesen lässt.

 

Gustav Mechlenburg

 

Sjón: Schattenfuchs, Roman. Aus dem Isländischen von Betty Wahl, S. Fischer 2007, 128 Seiten, 16,90

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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