21. April 2007

Hyperaktive Psychedelic

 

Mehrere Drummer und Percussionisten, psychedelisch-schräge Elektrosounds und obendrauf ein paar Freaks. Aa kultivieren den New York Underground mit neuen energetisch-experimentellen Tribal-Sounds.

Aa scheinen ein Spiel mit den Zeichen und Techniken, den Konventionen und konventionellen Performanzen zu sein. Ein Spiel, das eingebunden ist in ein Netzwerk an Künstlern und den Avantgarde-Underground. Psychotronic tribal freakout.

 

Aa sind schwer zu fassen. Einerseits, da sie – glücklicherweise – den Klischees kreativ entsagen, andererseits, weil sie so vielfältig sind, ohne auch nur im Ansatz einen eigenen Charakter missen zu lassen. Mit dem aktuellen „gAame“ sind sie nach der Veröffentlichung einer einseitigen LP und diversen Samplerbeiträgen nun zum Gesamtkunstwerk mutiert. Zu jedem der 13 Tracks gibt es noch ein eigenes Video, jeweils von sehr unterschiedlichen Künstlern, mit stark differierenden Optiken und Ansätzen. Die Visuals sind jedoch nur dazu gedacht, die Musik zu ergänzen, nicht sie zu erklären.

 

Der Sound ist aufgrund mehrerer Drummer natürlich stark Rhythmus-/Percussion-geprägt. Dieser ist von psychedelischen Elektronikklängen durchsetzt und Aa driften immer wieder in spacige Soundgefilde ab - nur damit wir uns nachher beim Tanzen die Beine brechen. Begleitend dazu murmeln sie eigenartige Phrasen oder shouten gemeinsam freakigen Irrsinn. „Urband dance-noise nightmare“ wurde das schon genannt, oder Aa gar als „post apocalyptic tribal texturalists“ bezeichnet. Boredoms, Aphex Twin, Animal Collective, Les Tambours Du Bronx sind wenig hilfreiche wie gegensätzlich Referenzpunkte. Dazu kommen brasilianische, west-afrikanische und japanische Rhythmen die durch den ganz speziellen Bandfilter gejagt werden.

Aa in Selbsterklärungsversuchen, über New Yorker Politik, Psychedelic, Do-It-Yourself-Ideologie und wie Wohnungsbaupolitik den Underground beeinflusst.

 

 

Bedeutungsdifferenzierungen

 

nN: Aa hat sehr unterschiedliche Bedeutungsebenen. Es steht für verschiedene Flüsse/Gewässer, ein Dorf in Estland, einen Künstler, eine Orchideenart, einen Lavatyp etc.

Aa: Die Idee zum Bandnamen haben wir dem Crass-Song „Big A little a“ entliehen, welcher wiederum eine Parodie auf einen Kinderreim darstellt. Wir mögen den Namen, weil er verschiedene Bedeutungen hat und er auf unterschiedliche Art und Weise geschrieben werden kann. Viele Leute erinnert er auch ans Erlernen des Alphabets, was adäquat erscheint, weil wir alle musikalische Autodidakten sind und die Band für uns ein Lern- und Experimentierfeld ist.

Auch auf textlicher Ebene setzt sich der multiple Ansatz fort. John: ‚Die Inhalte variieren stark und hängen davon ab, wer die Lyrics schreibt bzw. wer sie singt. „Flag Day“ beispielsweise stellt gleichzeitig DIY-Parolen, Poesie, Existenzängste und eine patriotische Erzählung nebeneinander. Andere Lyrics wiederum verhandeln die Ambiguität des Erlebens, die Schwierigkeit Entscheidungen zu treffen oder die unterschiedlichen Prozesse der persönlichen Entwicklung, die uns helfen damit zurechtzukommen. Wir möchten dabei aber nicht didaktisch sein.’

 

 

Netzwerke und öffentlicher Raum

 

nN: In Aa sind Musiker wie Künstler involviert, die wiederum beizeiten wechseln. Wie kann man sich eurer Feingefüge vorstellen? Eher als Kollektiv, denn als Band?

Aa: Es ist mehr eine Band, als ein Kollektiv. Alle Songs und Kompositionen entstehen in einer definierten Kerngruppe, auch wenn diese einige Wechsel erfahren hat. Aber du hast auch Recht, da man uns nicht als Band im traditionellen Sinn verstehen kann. Wir pflegen nach wie vor ein loses Netzwerk von Freunden, mit denen wir spontan oder speziell für Aufnahmen, Shows oder Videos zusammenarbeiten. Wir haben Glück viele talentierte Musiker, Produzenten, Lichttechniker, Remixer und Trickfilmzeichner zu kennen auf die wir zurückgreifen können. Gelegentlich kommt ein Mitglied des Netzwerkes zum Kern der Gruppe dazu und manchmal verlässt auch ein Kernmitglied diese Gruppe, arbeitet aber dennoch von Fall zu Fall weiter mit uns zusammen.

nN: Ihr habt öfter Gigs an ungewöhnlichen Orten. Eine Skateramp, auf einem öffentlichen Parkplatz inmitten der Menschen. Hat das eine implizite politische Aussage? Die Rückeroberung des öffentlichen Raums?

Aa: Hauptsächlich spielen wir Shows in weniger traditionellen Venues weil es einfach mehr Spaß macht und spannender ist. Wir sind mit unseren Shows ganzheitlich ausgerichtet. Wir denken nicht nur an die Musik, sondern auch an die Umgebung in der sie stattfindet, die Tageszeit, die beteiligten Bands und natürlich die Lichtverhältnisse. Wir bringen unsere eigene Lightshow mit und steuern diese über Fußpedale. In einer gewissen Weise streben wir an ein DIY-Gesamtkunstwerk zu werden. We try and make our shows a total experience, and give the audience not just music but a special time, place, and atmosphere. Das ist auch der Grund warum wird die Übergänge zwischen den Songs sowohl auf dem Album wie auch live, fließend gestalten. We don't want the 'real world' to have a chance to intrude on our creation. Ich denke, dass Politik und öffentlicher Raum dabei mit hineinspielen, aber für uns ist es eher wichtig, dass wir eine möglichst umfassende Erfahrung oder Situation schaffen wollen – was natürlich implizit als politisch gesehen werden kann.

 

 

DIY und Industrie

 

nN: Ihr unterstreicht euren Do-It-Youself (DIY)-Background. Welche Bedeutung hat dieser in Zeiten wo die Industrie Subkultur immer mehr vereinnahmt?

Aa: Seit die angestammte Industrie sich nur noch in die Hosen macht, weil ihr Business-Modell kollabiert, hat sie versucht Underground-Culture zu kooptieren, sie neu zu verpacken um sie der Öffentlichkeit als „Entdeckung“ zu präsentieren. Das ist einfach deren Überlebensstrategie und sollte eigentlich niemanden überraschen. Es setzt sich seit Anfang der 90er und dem „Alternative Rock“ fort und ist jetzt ein weit verbreitetes Modell. Die Präsenz der Musikindustrie im Underground ist jetzt also relativ leicht zu identifizieren und zu ignorieren. Ironischerweise ist im Amerika dieser Tage der Underground vermehrt an Major-Musik interessiert. Jedoch eher an der konventionellen Massenware – Rap, Pop, Dance – denn an Pseudo-Indie Produkten. Aber natürlich ziehen sich alle die Sachen kostenlos aus dem Netz, was den Majors dann auch nicht wirklich weiterhilft.

Was ‚DIY’ betrifft: Nur von sich selbst abhängig zu sein ist einfach der beste Weg die Dinge in einer Band geregelt zu bekommen. Die kreative Kontrolle ist ausschließlich in den Händen der Band, und Business-Entscheidungen können sofort ohne Genehmigung eines übergeordneten Managements getroffen und umgesetzt werden. Die Stärke der Identität ist heutzutage das wichtigste Kapital einer Band und ein Management verwässert das nur. Kleinere Independent-Bands die sich auf Majors einlassen, sind eigentlich immer im Nachteil, rechtlich wie kreativ.

nN: Ihr seid jetzt auf dem Gigantic Label. Habt ihr irgendwelche Kompromisse schließen müssen?

Aa: Das ist eine sehr gute Frage mit der wir uns auch lange selbst beschäftigt haben. Wir machen erste Erfahrungen mit einem richtigen Label, was Vertragsabschlüsse, publizistische Aspekte und einiges mehr was die Musikindustrie so bereithält beinhaltet. Wir sind dabei allerdings äußerst vorsichtig. Wir möchten die Kontrolle über unseren Sound und unser Image behalten und sind sehr umsichtig, wenn andere dies beeinflussen wollen.

Bis jetzt haben wir aber nur sehr positive Erfahrung gemacht. Wir können eigentlich machen was wir wollen und müssen keine Kompromisse schließen. Das Album haben wir aufgenommen bevor wir gesignt wurden, von daher gab es keine Probleme. Mit Gigantic im Rücken konnten wir allerdings eine DVD/CD-Veröffentlichung realisieren, was sonst unmöglich gewesen wäre. Davon abgesehen sind wir nicht allzu geschickt in geschäftlichen Angelegenheiten. Indie-Musik ist nach wie vor ein Business und es ist natürlich hilfreich Leute im Team zu haben, die sich mit der geschäftlichen Seite gut auskennen – diese Arbeitsteilung ist eine gute Sache und wir sind sehr froh darüber Leute denen wir vertrauen, für solch notwendige Angelegenheiten zu haben, welche wir nicht besonders gut können bzw. nicht gerne machen wollen.

 

 

Ökonomie und Avantgarde

 

nN: Wie beeinflusst inzwischen Politik die Subkultur in New York? Giuliani hat ja seinerzeit die Clubs bekämpft.

Aa: Das Zentrum von New Yorks Subkultur hat sich geografisch definitiv von der “Downtown Manhattan Scene” der 80er zur gegenwärtigen “Brooklyn-based-scene” verschoben. Das hängt aber mehr von ökonomischen Faktoren ab als von politischen. Giulianis Politik hat sich eher gegen die großen Dance-Clubs gerichtet als gegen kleine Ecken für Experimentalmusik. Diese Venues und undergroundorientierten Musiker wurden vielmehr durch die steigenden Grundstücks- und Mietpreise in den 90ern, als Manhattan generell sicherer wurde, vertrieben. Künstler wie Musiker begonnen über den East River nach Brooklyn zu ziehen, wo es kostengünstigeren Wohnraum, unkonventionellere Plätze wie Lofts und Lagerhäuser und auch ein größeres Publikum, das an dieser Musik interessiert ist, gab. In Manhattan gibt es immer noch einige gute Clubs, aber generell ist es mehr an einem älteren, konservativeren Publikum ausgerichtet. Politik ist also eher ein kleinerer Teil der großen Umwälzungen, die aufgrund der Stadtentwicklung stattfinden. Glücklicherweise ist die Experimental-/DIY-Szene sehr groß und anpassungsfähig, die monatlich neue Bands und Veranstaltungsorte hervorbringt, während die Alten weiterhin Shows spielen. It helps to keep things fresh - no one ever gets too comfortable, but I don't think anyone feels like the scene is in any real danger.

 

 

Psychedelic und ADS

 

nN: Euer Sound klingt von Psychedelic beeinflusst. Welche Rolle spielt Psychedelic für Aa, sowohl musikalisch wie auch als Einstellung?

Aa: Es gibt definitiv einen psychedelischen Aspekt in unserer Musik, der sich aber wahrscheinlich etwas anders zeigt, als bei den meisten Bands, die sich als ‚psych’ verstehen. Wir benutzen nicht ein traditionelles Rock-basiertes Instrumentarium konventioneller Psych-Bands und wir spielen auch nicht diese typischen, überlangen repetitiven Songs, die großartig sind wenn du auf Drogen bist, aber nüchtern ziemlich langweilen können. Dennoch, ähnlich wie Psych-Bands versuchen wir Musik und Performances zu kreieren die eine alternative Realität suggerieren. Anstatt jedoch nur eine Stimmung zu schaffen, in der man endlos verweilt, lieben wir den ständigen Wechsel. Die Gesamterfahrung ist also nicht etwas was sich wunderbar anhört, wenn man auf einem LSD-Trip ist, es erinnert mehr an einen LSD-Trip selbst, also eine rapide Abfolge von impressiven Eindrücken welche das Erinnerungsvermögen überfluten. Unser Sound ist wahrscheinlich ein Zwitterwesen aus Psychedelic und Musik mit ADS-Syndrom.

 

Christian Eder

Der Text ist auch im noisyNeighbours Zine erschienen.

 

Band

sleeep.com/aa/

Label

giganticmusic.com

 

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