3. April 2007

Entführung aus dem Serail

 

Eine Motorradgang kommt nicht nur selten, sie kommt nie allein. Das gilt auch fast schon für das einzelne Motorrad, das nicht nur Frauen, bestimmte Frauen, sondern auch andere Motorräder anzieht. Es gibt also schon immer mindestens zwei Motorradgangs, und die sind immer verfeindet – Relikt uralter Clan- und Stammesstrukturen, was manchen Stammesführern in Momenten von Selbstironie aus Kraftüberschuss durchaus bewusst sein kann. Und weil es in der Vorzeit auch um nichts anderes ging als um den Erwerb von Frauen, so kann man sicher sein, dass, wenn heutige motorisierte Clans aufeinander treffen, das loseste Element die Frauen darstellen, deren Funktion über eine mehr oder weniger starke Zirkulation zwischen den Clans nicht hinausgeht. Die Kamera geht ganz dicht dran an das Vorderrad, das so schön metallisch in der Sonne blitzt und im Moment einer leichten Drehung den Blick freigibt auf einen mächtigen stählernen Lungenapparat, aus dem zwei mächtige silberne Rohre sich herauswinden, die einen Höllenlärm produzieren. Dann startet das Gefährt in der alles andere als staubfreien Zone und kommt etwas später in einer so eleganten wie kraftvollen Drehung wieder zum Stehen. Das geht so weiter. Es gibt ja noch so viele andere Motorräder auf dem Platz. Dann taucht eine andere Gruppe Motorräder auf. Die Kamera ist gleich beim Chef, der als einziger eine Schnalle auf seinem Rücksitz hat und doch nicht genug kriegen kann, so als wollte er die Theorie vom Urvatermord und seiner vorgängigen rücksichtslosen Lebensweise bestätigen. Es ist Chino (Dennis Hopper), Führer der Black Souls, der mit seinen Mannen in die Feierlichkeiten der Glory Stompers einbricht. Sein geübter Blick geht nicht weiter als bis zu Chris, der blonden Braut des Führers Darryl, die aber einen sehr unschuldigen Eindruck macht im Vergleich zu Chinos Mädchen. Chris ist ein bisschen ängstlich und sie ist vor allem ein bisschen zu bürgerlich, um ihre Zeit auf dem Rücksitz eines Motorrads verbringen zu wollen. Sie denkt an die Zukunft, an gesellschaftliche Repräsentation, und genau so sieht sie auch aus, und genau das reizt wohl auch Chino. Darryl ist der edle Cowboy (so wird er auch genannt, Cowboy), er sieht nicht aus wie ein Bandenchef, und wenn er auf dem Motorrad sitzt, dann wirkt das ein bisschen komisch, weil entweder er zu groß oder das Motorrad zu klein ist. Was das angeht, sind die Black Souls um einiges cooler, mehr dem Cliché entsprechend, aggressiver, mit Mund und Maschine. Natürlich rückt Darryl seine Braut nicht raus, im Gegenteil. Die Black Souls ziehen wieder ab. Dann kommt es zu der folgenschweren Unterredung zwischen Chris und Darryl, in der Chris ihre bürgerlichen Wünsche äußert, natürlich in der Diskretheit motorradunabhängiger Abgeschiedenheit. Aber die Black Souls wittern den Braten und brechen ein in die Idylle vernunftgesteuerter Entscheidungsprozesse. Die Situation schaukelt sich natürlich hoch, wo Provokation die Begnungsmodalität von Gangs strukturiert, und schon liegt Darryl scheinbar tot im Sand. Als bloße Oberflächenexperten diagnostizieren die schweren Jungs den Abgang, oder sei es nur, weil Immobilität und Gesichtsdeformation des Gegners ihnen dann doch Angst einjagt. Klar aber dann, dass die Braut verschwinden muss. Man will sie über die Grenze nach Mexiko schaffen, wo sie als Prostituierte arbeiten soll bei einem gewissen Altmeister M. Natürlich ist der Tote nur scheintot, die Gesichtsverzerrung lässt sich leicht mit Wasser abwaschen, und so kann die Verfolgungsjagd losgehen. Darryl findet ein paar Verbündete, die ihm die nötige Information zur Verfügung stellen, auf der anderen Seite kommt es zu verschiedenen Eifersüchteleien um Chris, die ungewollt dabei ist, die Gruppe neu zu bilden, wo sie doch nur von einer Stelle zu einer anderen gebracht werden soll. Kurz vor der Grenze nach Mexiko ist es dann so weit, doch bevor es zum Showdown zwischen Chino und Darryl kommt, zerfleischen sich schnell noch ein paar der Black Souls, Frauen sind halt doch noch mal was anderes als noch das schickste Motorrad. Am Ende stirbt der Übervater Chino, aber nicht von Darryls Hand, weil der rein bleiben muss für eine sich anschließende bürgerliche Existenz, sondern von seiner eigenen Ische, die doch zu langsam ist fürs Messerwerfen, denn leider trifft sie nicht Darryl, sondern ihren Besitzer Chino. Darryl weiß jetzt, wo das alles hinführen kann, er ist bereit.

 

Dieter Wenk (07.03)

 

Anthony M. Lanza, Die teuflischen Engel, USA 1967