15. Oktober 2003

Fortsetzung folgt nicht

 

Am besten ist vielleicht der allwissende Erzähler, der in seiner gewollten Stupidität („es ist Zeit, dass wir uns jetzt wieder den Gefühlen unserer Figuren zuwenden“) dem Zuschauer die Frage nach ähnlichen Effekten auch in der Literatur nicht ersparen wird. Aber hat so was nicht auch Vorteile? Der Zuschauer wird gleich zu Anfang auf das eingestellt, was kommen wird, kann seine ganze Energie darauf richten, also hier: Es geht um zwei junge Männer, ein hübsches Mädchen, ein abgelegenes Haus und viel Geld. Ah ja, klingt interessant, wie bringt man so was zusammen, hm, nicht schlecht, also die zwei Männer sind bestimmt die Übeltäter, oder einer von ihnen zusammen mit der Frau, die ihn anstiftet oder dem anderen davon erzählt, der seinen Freund nun aufhetzt, der aber selber ganz brav ist und vor ungeheure Gewissensfragen gestellt wird. Wem soll er folgen? Dem Geld, seinen Freunden oder seinem Gewissen? Puh, als ob nicht jeder schon mal vor ähnlichen Problemen gestanden hätte. Ja, dieses Dilemma, vor verschiedenen Ansprüchen zu stehen und zu versuchen, sie, wie man sagt, unter einen Hut zu bringen (sehr schön die Hüte von Frank – Bowler – und Arthur – Genet-Mützchen).

Nicht leicht wird es für den Regisseur dieses Films gewesen sein, sich für eine Variante zu entscheiden, denn alles auf einmal kann man ja nicht zeigen. Oder doch? Na ja, dazu braucht es nicht gar so viel, und wenn es am Ende nur dieser klitzekleine selbstironische Kommentar über die Schwachsinnigkeit dieses Stoffes und seines Endes (die Fahrt ans Meer, das kommende, wartende Glück, allerdings ohne Geld, das hat halt nicht ganz so klappt) ist und das perfide Versprechen, als nächsten Film eine Fortsetzung des Schicksals der beiden zu bringen in exotischen Gefilden. Nein, bitte nicht.

Nein, dafür der Blick zurück, in der Mitte des Films ein Riesenschild mit den fetten Lettern NOUVELLE VAGUE, aber man hat nicht wirklich gesehen, was dahinter stand, was das repräsentierte, sodass man ganz hinterlistig vermuten muss, dass das nämlich gar nichts mehr vorstellte, weder Kino noch Kinoplakat noch Kneipe, sondern einen Streifen, eine BANDE, nämlich à part, eine Art museales Ausstellungsstück, etwas, das es nicht mehr gibt (Stichjahr 1962?), und das doch noch einmal ausgefahren wird, ausgerollt auf eine Größe, die nur noch mit einem Augenzwinkern beantwortet werden kann. Aber man kann noch Spaß an den Attributen haben, dem Autofahren, den ziemlich plumpen Annäherungsversuchen, die nicht auf große Widerstände stoßen und wo man sich fragen wird, ob das damals wirklich so abging und ob man das bedauern soll, dass diese klassische Rollenverteilung nicht länger funktioniert. Überhaupt, diese Filmrolle kommt ganz ohne die Godard’schen Tricks von früher aus, es ist beinahe ein richtiger Film, ein Anfang, ein Ende, ein Showdown gegen Ende, aber dann immer wieder doch hineingeschnitten diese Versatzstücke aus Filmen, diese Ready-mades an Haltungen, gleich am Anfang, am Wagen, nachdem die beiden Männer das Haus in Jointvilles besucht haben, da legt’s dich nieder, auf die Straße, denn du bist getroffen, und da ist keine Stelle, die nicht schmutzig wird.

 

Dieter Wenk