Welcome to the Machine
Wenn man Gleichklänge leicht gegeneinander verstimmt, kommt es zu Interferenzen: Schwebungen der Obertöne. Man kennt das Phänomen vom Stimmen der Saiteninstrumente: Je näher die Töne beieinander sind, desto schneller oszilliert es zwischen ihnen. Diese Technik beherrscht John Butcher perfekt — als Stilmittel auf seinem Tenorsaxofon. Mehrstimmiges Spiel, Schwebungen und Klappengeräusche kombiniert er zu einer atemberaubenden Tonmischung, in freier Improvisation.
Klassische Konzertsituation auf die Spitze getrieben: Das Publikum soll nicht nur irgenwie still sein, sondern muss zu Beginn des Stücks »Das Blaue vom Himmel« von Peter Ablinger so total leise sein, dass der ausführende Cellist eine kuze Passage aufnehmen kann, die ihm dann als Klangteppich vom Band wieder zugespielt werden soll. Es braucht zwei Anläufe — in den über dem Hamburger »Westwerk« gelegenen Räumen geht jemand auf und ab, der sich der Kontrolle der Veranstaltung unwissentlich widersetzt. Michael Mosers Cello dringt schließlich kaum durch die Klangkulisse hindurch, die klingt wie eine bis in alle Ewigkeit rauschende Klospülung. Er müht sich virtuos, aber es rauscht. Die Komposition nennt das »ortsbezogene Verdichtung«.
Auch Bernhard Langs »Schrift 2« interpretiert Moser absolut souverän, indem er sein Instrument wie eine Gitarre bearbeitet, perkussiv fast funky klingende Riffs immer wieder von neuem ansetzt.
DJ Lenar zeigt zwischendurch, dass seine Turntables ein klangliches Eigenleben haben. Seine Improvisation kommt über weite Strecken ohne Vinyl aus, sondern lebt vom Brummen und Knistern der Stecker und Tonabnehmer. Das macht einen extrem entspannten Eindruck und endet abrupt mit einem Blick auf die Uhr.
Verglichen mt Roel Meelkops Elektronik produziert DJ Lenar geradezu immanent, denn dessen Soundscapes imaginieren und entführen in völlig andere Welten. Es schlagen Türen, es quietscht und ruckelt, es rumpelt in Produktionshallen, Welcome to the Machine.
Zum Schluss sind dann alle zusammen auf der Bühne.
Ralf Schulte
Do, 29.03.2007, Improvisation/Elektronik/Komposition
John Butcher (London): Sax / Improvisation; Roel Meelkop (Rotterdam): Elektronik; Michael Moser (Wien): Cello/Kompositionen von Peter Ablinger und Bernhard Lang; DJ Lenar (Warschau): turntables
Blurred Edges Festival, Hamburg,
noch bis zum 1. April.
Vollständiges Programm unter: www.vamh.de