29. März 2007

Ein letzter Scotch in King’s Land

 

Das Aufhängen des Schotten an Fleischerhaken ist doppelt ärgerlich. Nicht nur, dass ich die Hand meiner Kinobegleiterin E. halten muss (glücklicherweise kommt sie meiner Initiative schon in dem Moment zuvor, als Forrest Wittaker alias Idi Amin dem übel entstellt am Boden liegenden Protagonisten schildert, wie in seinem Dorf ehebrecherische Männer bestraft werden). Denn diese Folterszene symbolisiert den vollständigen Bruch mit der bis dahin nachvollziehbaren und teils charmant erzählten Bildungsgeschichte von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen (bzw.: Gutes zu tun; oder auch: sich zu verwirklichen) – und der sich dann der Realität seiner Abenteurerei stellen muss. Nein, hier drängt sich die wahre Historie ins Bild. Ja, es handelt sich um Idi Amin, den Schlächter. Und den hat’s ja wirklich gegeben, stimmt ja; bloß nix verharmlosen. Und das wird dem Zuschauer spätestens in diesem Moment sozusagen mit dem Schlachtwerkzeug eingetrieben. Heißt: Hier endet nun mal alle Fiktion und Identifiziererei mit dem Protagonisten, der sich verführen ließ vom charismatischen Führer; der hineingeriet in die Schmeichelfalle des Hofiertwerdens bei gleichzeitiger Komplizenschaft mit einem mörderischen Regime. Schade eigentlich, wo es doch viel interessanter war, vor der bunt-blutigen Tapete der ugandischen Geschichte sich einen jungen Naiven seiner Unschuld in jeder Hinsicht entblättern zu sehen. Schluss also, nun geht’s ihm ans Leder, und damit hat es mehrerlei auf sich (abgesehen davon, dass E. und ich näher aneinandergerückt sind, was definitiv der erfreulichste Aspekt von allem ist): Der Film offenbart, dass er es nötig hat, wahr zu werden im Sinne der historischen Wahrheit (jetzt mal Schluss mit dem Menscheln!): Fleischerhaken 1. Den damit einhergehenden Verlust seiner Filmhaftigkeit als eigenständige Narration kompensiert er dann wieder mit der wahnwitzigen und völlig unglaubwürdigen Rettung des jungen sympathischen Schotten, da braucht es Action: Fleischerhaken 2. Die Blicke zwischen den Sitzreihen vor uns, dem Inneren der Handfläche und der Leinwand wendend, testen wir den interessanten Gedanken, dass der Filmheld das Ende (des Films) nicht erlebt: Und hochziehen.

Und dabei ist ab da alles ebenso egal wie banal: Der Film hat jede Bedeutung verloren. Fehlt nur die Stewardess, die dem Entkommenen einen Drink serviert (und ein Pflaster). Später denken wir dann: Erschießen wäre beileibe (wenn dieses Adverb hier erlaubt sei) für alle Beteiligten die einfachste Lösung gewesen. Aber dieses Schicksal wurde immerhin dem Retter des Helden zuteil, der auch noch sagen musste: „ich weiß auch nicht, warum ich das tue“ – der Mohr hatte seine dramaturgische Schuldigkeit getan. Poff.

 

Stefan Moos

 

Der letzte König von Schottland, R: Kevin Macdonald, 2006