21. März 2007

Blütenlese

 

Das Auftauchen eines ehemaligen jüdischen KZ-Häftlings im Spielcasino von Monte Carlo ist ebenso schön wie „die unvorhergesehene Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch“. Der Mann heißt Salomon Sorowitsch, und er hat viel Geld dabei, amerikanische Dollar. Wo hat er sie her? Er hat sie nicht redlich verdient, aber er hat hart dafür gearbeitet. Der professionelle Fälscher Salomon Sorowitsch ist einer der Helden in Stefan Ruzowitzkys Abenteuerfilm „Die Fälscher“, der von einem Himmelfahrtskommando erzählt, das sich in den 1940er Jahren im KZ Sachsenhausen zugetragen hat. In ganz großem Stil sollte hier Geld, britische Pfund und amerikanische Dollar, gefälscht werden mit dem Zweck, die Wirtschaft der Feinde des Nationalsozialismus zu schwächen. Hierzu griffen die Nazis auf das Expertenwissen ihrer internen Feinde zurück: Juden, Abweichler, Kommunisten… Sorowitsch führte im Berlin der 30er Jahre ein feines Leben. Ein Self-made-man, zwar nicht ganz legal, aber auf jeden Fall erster Klasse. Irgendwann wird er geschnappt und in das KZ Mauthausen gesteckt. Andere haben es dort viel schlechter als er, denn er versteht es durch sein Handwerk sich die Eitelkeit der „Herrenmenschen“ dienstbar zu machen. Dann wird er nach Sachsenhausen verlegt. In die Baracken 18 und 19. Man traut seinen Augen nicht, frische Betten, richtige Klamotten (nun ja, anderer ehemaliger Gefangener), der Sturmbannführer Herzog ist beinah kollegial, bietet Zigaretten an. Ein Märchen? Nein, eine abgeschlossene Welt für sich, in der auf eine etwas andere Art der Tod verwaltet wird. Über hundert Spezialisten aus dem Drucker- und Grafikgewerbe sind hier konzentriert, der Reichsführer SS Himmler wartet auf ganz viel Geld, Falschgeld, um einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen. Es gibt sogar einen mündlichen Vertrag zumindest zwischen Herzog und Sorowitsch: Mach mir den Dollar, und Du wirst überleben. Sorowitsch ist eher pragmatisch, aber er ist nicht allein. Andere wie Burger, der seine Frau im KZ Auschwitz verliert, erweitern den Horizont der Reflexion in Richtung Gewissenserforschung, wozu man ein bisschen Märtyrer sein muss, und das behagt den Allerwenigsten in Baracke 18 und 19. Und doch schafft es Burger lange Zeit, die für den Prozess der Blütengewinnung so wichtige Gelatine, die Bestandteil der fotografischen Schicht ist, immer ein wenig unbrauchbar zu machen. Sabotage. Das weiß auch Herzog. Aber was will er machen. Er kann nur den Druck erhöhen, der die privilegierten Häftlinge gegeneinander aufbringt. Dann ist der Dollar da, aber es nützt den Nazis nichts mehr, die Alliierten stehen vor den Toren, die ungewollte Kollaboration der Spezialisten mit den Nazis hat keine kriegsverlängernde oder sogar -entscheidende Konsequenz. Am Ende, nach der Flucht der Lagerverwaltung, sieht man die anderen Häftlinge – die man im Laufe des Films immer nur hörte, als gequälte, geschlagene, getötete Existenzen –, die ihre besser gestellten Brüder beinah lynchen. Das Schlitzohr Sorowitsch verlässt die Hölle nicht ganz ohne eine kleine symbolische Entschädigung für den Aufenthalt in ihr, jetzt also Monte Carlo, und: Wird es Falschgeld im richtigen geben?

 

Dieter Wenk (03.07)

 

Stefan Ruzowitzky, Die Fälscher, D 2006, Karl Markovics, August Diehl, Devid Striesow, Martin Brambach, Sebastian Urzendowsky, Dolores Chaplin