18. März 2007

Jenseits des Generationskonflikts

 

Fast will es einem scheinen, als ob Fridolin Schley allein von seinem Vater abstamme und er direkt aus einer Häuptlingsfeder des in der Kinderzeit gespielten Playmobilspiels, aus der Falte eines absurden Denkers, aus dem Gespinst eines tschechischen Tennisschlägers, aus der Locke eines amerikanischen Superstars, aus dem Witz eines kickenden Dortmunders oder aus der Rede eines einmalig berlinernden US-Präsidenten geboren worden wäre. Denn hier geht es nicht um alberne Rollenspiele eines lange vergangenen und sich an seinem ödipalen Komplex verzehrenden 20.Jahrhunderts, das in Kafkas „Brief an den Vater“ den frühen und traurigen Höhepunkt einer vergifteten Vater-Sohn-Problematik zeitigte. Hier wird bewundert, hier wird stolz präsentiert, hier gibt es sechs Variationen auf die oben schon angedeutete Prädikation „Mein Vater ist …“ (zum Beispiel James Dean). Das Fantastische dieser kleinen, fünf längere Erzählungen umspielenden Hymnen auf den Vater ist, dass die in ihnen beschriebene Welt völlig in Ordnung ist, es gibt keine Stelle, die den Leser kritisch ansieht oder ihn bittet, sich doch gefälligst seinen eigenen Reim drauf zu machen. Alles, was da steht, ist ganz und gar wahr. Kein Kokettieren, Ironisieren, keine Sarkasmen, Zynismen trüben den Blick auf die Umgegend von München, in der der Erzähler immer schon aufgewachsen zu sein scheint. Ich habe glaube ich noch nie eine so brave Literatur gelesen, und das gilt auch für die längeren Erzählungen, in denen zwar auch andere Themen angeschlagen werden wie der Selbstmord eines Mitschülers, die ganze Tragik aber von einer Sprache aufgehoben ist, die wie ein Schutzschild alles Negative in sich zu versenken weiß. Diese Erzählungen lesen sich wie ein Einführungsbuch in Literatur, sie sind an ein ganz junges Publikum adressiert (der Autor ist Jahrgang 1976), und für dieses mag Fridolin Schley selbst ein Vater sein, dem dann ein wenig altbacken daherkommende Formulierungen nicht nur verziehen werden, sondern der dadurch genau den ehrfurchtgebietenden Abstand herstellt, den er ja selber zu seinem Vater hat(te). Die Liebe fürs formale Detail bekommt dem Buch, sei es die Anordnung der Erzählungen im thematischen Wechselspiel, sei es die kursiv gedruckten, an die Vortexte von Theaterstücken erinnernden (Eingangs-)Passagen einiger Texte (in „Paulchens Locke“, oder bei der vermutlich besten Geschichte „Bis Hicki kommt“, die jedenfalls ein erstaunliches Ende hat). Für den etwas älteren Leser, der vielleicht auch etwas „fortgeschrittener“ ist, dürfte die durchgängige Nettigkeit dieser Erzählungen beinah schon wieder verstörend sein. Sie sind weder postmodern noch pop. Vermutlich sind es einfach ganz wahre Geschichten. Begeistert geschrieben („Schöner Ball“), mal auch pointillistisch-melancholisch („Picasso am Meer“) oder auch biografisch etwas hinter sich bringend (die Titelgeschichte). Aber am erstaunlichsten sind eben doch die Vaterportraits, „und immer wieder komme ich auf meinen Vater zurück und kann nicht anders, als stolz zu sein.“ Dem Autor sollte man dankbar sein, dass er keine Sozialphilosophie zur Erklärung bemüht, warum das so ist.

 

Dieter Wenk (03.03)

 

Fridolin Schley, Schwimmbadsommer. Erzählungen, München 2003 (C.H.Beck)