Blödheit siegt nicht
Viel lieber hätte ich das dazugehörige Groschenheft gelesen: Grundschullehrerin verliebt sich in männliches Model, dieser stößt sie nach ein paar Mal Sex zurück, sie liebt trotzdem nur ihn, sie besorgt es sich bei anderen, die sie nicht liebt, kurzer Höhepunkt: Wird er durch Eifersucht weich? Wird sie ihn zurückbekommen? Nein. Er ist doch ein Model. Völlig unbegreiflich, wie man die so genannte Liebesproblematik am Beispiel eines Models anschaulich machen möchte. Diese Konstruktion ist nicht waghalsig, sondern einfach völlig blöde. Deshalb kann man den Film von vorne bis hinten nicht Ernst nehmen. Oder genau nur eben das Model, weil es so grundehrlich ist und von Liebe nichts wissen will. Im Film kommt es natürlich schlecht weg, weil es so liebesträge ist und die Frau, die Lehrerin, eigentlich ja ganz attraktiv ist. Aber in der Welt des Models gibt es kaum jemanden, auf den das nicht zutrifft. Am schwierigsten zu verdauen sind die inneren Monologe, die die Frau immer dann an sich hält, wenn sie mal wieder zurückgewiesen worden ist. Unter anderem sagt sie Sachen wie: „Ich werde für dumm verkauft.“ Das stimmt allerdings nur insofern, als sie zwar dumm ist, diese Eigenschaft ihr also nicht mehr verkauft werden muss. Irgendwie hat sie noch nie was von Erwartungen und Erwartungserwartungen gehört. Oder von Laing’schen Knoten. Wenn man so was mal gesehen hat, kann einem dann nicht mehr so viel passieren. Im übrigen bedient der Film – einer Frau wohlgemerkt – alle Klischees, die bislang über Frauen zirkulierten, der Mann ist gefühlskalt, nur Frauen lieben wirklich, alle Frauen wollen im Grunde nur vergewaltigt werden, hässliche Männer wissen, wie man Frauen zu nehmen hat, und das einzige Klischee, das auf jeden Fall stimmt, nämlich dass Models, was Liebe angeht, mit Vorsicht zu genießen sind, also am besten gar nicht oder, wie es sich gehört, von ferne, das berücksichtigt der Film nicht. Warum sagt die Frau, Marie, nie, dass das Schlafzimmer ihres Geliebten, Paul, aussieht wie ein Krankenhauszimmer? Und diese furchtbar ernsten Gespräche und wehleidigen Reflexionen, kein Hauch von Humor, aber auch das passt eben schon wieder nicht zum Model. Und als ob Marie nichts gelernt hätte, lässt sie sich gleich wieder auf eins ein, den italienischen Pornostar Rocco Siffredi, der mit Kondom absolut komisch ausschaut, aber auch hier kommt man nicht zum Lachen. Ganz vergeht es einem beim Direktor Robert, der auf S/M steht und es mit Araki-Konstruktionen hat. Da sehe ich mir lieber einen Katalog an, wo ich schnell weiter blättern kann. Hier ist man gefangen in der Knebel- und Fesselstube, die zwar ziemlich ins Biedermeierliche geht, aber doch nicht verhindern kann, dass sich Marie nicht wirklich aufgehoben fühlt. Die Fesseln waren halt doch ein bisschen zu fest. Da aller guten Dinge drei sind, darf auch nicht der Sofortfick nach zufälliger Begegnung auf der Straße, hier einer dunklen Treppe, fehlen. Auch hier wird Marie ausgenutzt, und sie weint bitterlich. Am Ende fragt man sich, was hier so scheiße gelaufen ist, der ganze Film, oder ein fundamentales weibliches Missverständnis.
Dieter Wenk (01.03)
Catherine Breillat, Romance, Frankreich 1999