9. März 2007

Der Duft der großen weiten Welt

 

Methan, im Volksmund als Gruben- und Sumpfgas bekannt, ist der einfachste, gasförmige Kohlenwasserstoff, CH4. Das Gas, das jeder Grubenarbeiter zu Recht fürchten muss, hat in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf sich aufmerksam gemacht, als in einem Versuch gezeigt werden konnte, dass aus einer chemisch recht schlichten Gemengelage, darunter Methan, unter bestimmten Bedingungen Aminosäuren sich erzeugen ließen. Also Leben, also auch menschliches Leben. Wie aber leben Menschen? Unter welchen Bedingungen gedeihen sie am besten? Aber auch: Was ist Metan? Metan ergibt sich aus einem Schütteleffekt, den man dem deutschen Wort „Atmen“ unterzieht. Die Upanishaden sprechen von Welthauch… Ob nun also Methan oder Metan, es handelt sich hier um einen ganz besonderen Stoff. Jeder kennt ihn, jeder produziert ihn und möchte doch nicht die Bohne dabei erwischt werden. Apropos Bohne: Die Ambivalenz ihr gegenüber findet sich schon bei den Pythagoreern: Auf der einen Seite findet man in den Akousmata des Pythagoras, man solle sich der Bohne, aus kosmologischen Gründen, enthalten, auf der anderen Seite wird berichtet, die Bohne sei eine Lieblingsspeise dieses Clans gewesen, weil die Bohne erleichtere. Methan hat es also in sich. Es vermittelt den Einzelnen mit dem Ganzen. Es setzt auf Verantwortung und stellt jedem anheim, was er seinem Gegenüber zumuten will. Christian Krachts und Ingo Niermanns „Metan“ muss man als zwar knappe, aber dafür um so wuchtigere Intervention auf dem meist sehr kleinhorizontigen Schnattermarkt zur Klimaentwicklung charakterisieren. Es ist geboten, von einer transzendentalen Verve zu sprechen, denn endlich einmal geht es um die Koordinaten selber, mit denen das Himmelszelt vermessen wird und die vielleicht alles andere als anthropomorph sind. Es handelt sich hierbei also überhaupt nicht um ein parteipolitisches Programm oder um ein Machwerk für einen tendenziösen Auftraggeber. Wie weit hier gedacht wird, ergibt sich allein daraus, dass die sich nach wie vor als Avantgarde fühlende großgrüne Fraktion aller Alternativen nach Lektüre dieses Pamphlets zugeben muss, dass die Wunderkarte der CO2-Reduktion als Panazee des Treibhauseffekts der ganz falsche Weg zur „Terraformierung“, also Gesamtbegrünung des Blauen Planeten, ist. Hierzu wäre im Gegenteil der möglichst schnelle Verbrauch von Kohlenstoff, also eine rapide Erderwärmung, hilfreich. Im Grunde also eine beherzte Methanisierung. Neben den einschlägigen naturwissenschaftlichen Daten dieses Prozesses bieten die beiden Journalisten als dramatisches Lese-Begleitprogramm die Förderer und Verhinderer dieses planetarischen Ereignisses auf, was ebenfalls dazu nötigt, bislang als sakrosankt geltende politische Seilschaften und Einteilungen dringendst zu überdenken. Kracht und Niermann lassen uns hinter die Kulissen schauen und erkennen, wo der eigentliche Feind steckt und zu welchen Zwecken man Tagespolitik inszeniert. Denn dass wir in allem Möglichen, nur nicht in einer Informationsgesellschaft leben, fällt als fast läppisch zu nennendes Korollar von diesem sehr ergiebigen Traktat ab. Immer mehr alte Menschen und die Abermilliarden Rinder dieser Erde können sich nicht täuschen. Das Methan ist da, und es wird immer mehr. Helfen wir ihm dabei. Wir sind es ihm schuldig, denn ohne es gäbe es uns nicht. Gibt es ein schöneres Opfer, als Bedingungen dafür zu schaffen, dass es ein nächstes Mal mit dem Menschen nicht ganz so unterirdisch läuft wie bei dem Prozess, der noch läuft? Als alte Aufklärer sind wir dem Menschen seine Perfektibilität schuldig. Auf ein anderes Mal. „Metan“ ist „Erster Teil der Trilogie“.

 

Dieter Wenk (02.07)

 

Christian Kracht/Ingo Niermann, METAN, Berlin 2007 (Rogner & Bernhard), 142 Seiten, 60 Abbildungen, gebunden, € 14,90

 

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