11. Februar 2007

Die Hölle der Anderen

 

Zwei Nachbarinnen irgendwo auf dem Land, der genaue Ort spielt keine Rolle, hinter deutscher Jägerzaun-Idylle kann sich überall das Grauen verbergen. Die jüngere der beiden Frauen kümmert sich scheinbar aufopferungsvoll um ihren blinden Geliebten, hegt dabei jedoch Hassgefühle und pflegt makabre Mordfantasien. Die ältere Nachbarin hat, so sagt sie, einen Sohn durch Ertrinken verloren, 40 Jahre war er da alt und eigentlich ein guter Schwimmer. Auch hat sie, so sagt man im Dorf, noch eine Tochter gehabt, die eines Tages einfach gegangen ist, nur die abgeschnittenen Zöpfe zurücklassend. Doch was ist wahr, was Einbildung oder Fantasie? Nina Jäckle beschreibt die Hölle der Anderen in poetischer Sprache, sie arbeitet mit Wiederholungen und Andeutungen, nie weiß man wirklich, was geschah oder geschieht. Doch genau das macht den Reiz dieses Buches aus, der Leser wird schnell gefangen genommen und verstrickt sich in diesem Netz der Möglichkeiten.

Die beiden Frauen nähern sich an, der Geliebte lässt sich den Verlauf der Besuche genau berichten und wird ebenfalls Opfer der undurchschaubaren Geschichte. Zwischen den beiden Frauen scheint eine tiefere Verbindung zu bestehen, doch wie genau diese aussieht, lässt Nina Jäckle bis zum Schluss im Unklaren. Und vielleicht ist das auch besser so, die durchgespielten Möglichkeiten beinhalten ohnehin alle Facetten des Grauens.

Die Autorin spielt in ihrem Roman sowohl mit den verschiedenen Perspektiven und Zeiten als auch mit der limitierten Möglichkeit der eigenen Erinnerung. Gerade traumatische Ereignisse werden im Nachhinein oft in einer Form erinnert, die die eigene Identität nicht beschädigt und somit ein Weiterleben ermöglicht. Und wer will schon immer wissen, was gleich nebenan wirklich geschah.

 

Katrin Zabel

 

Nina Jäckle: Gleich Nebenan, Roman, Berlin Verlag 2006, 127 Seiten

 

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