16. November 2006

Böse, böse, böse

 

Also noch einmal: Junge liebt Mädchen. Fertig.

P. S.: Mädchen hat andere Ziele und das 40 Jahre lang. So lässt sich der jüngste Roman von Mario Vargas Llosa zusammenfassen.

 

Da haben die Schriftsteller doch nun wirklich freie Hand und können sich alles Mögliche ausdenken, und bei solchen wie Llosa wird das dann auch auf jeden Fall umstandslos gedruckt und in viele Sprachen übertragen. Hier ist aber irgendwie etwas schief gelaufen. Der Roman ist so gräulich eingleisig und matt, trotz großspurig angelegter Erzähltrassen, nämlich europäischer und vor allem mittelamerikanischer Geschichte der letzten 60 Jahre. Llosa ist durchaus in der Lage, sehr konzise und erheiternde Statements zu machen, zu den aufgewühlten Gemütern zur Zeit der Studentenrevolten in Frankreich zum Beispiel und deren labberig gemütlicher Beruhigung unter zu Hilfenahme von Lacan sowie zur politischen Entwicklungen in Peru, die Niederschlagung von Hoffnungen und vor allem Aufständischen.

 

Aber du großer Gott, da ist immer diese dusselige Liebesgeschichte im Vordergrund. Darum soll es offenbar vor allem gehen. Dieser Liebende hat mit der Zeit, in der er lebt nichts gemein, aber auch das ist nicht Thema des Romans, obwohl sich so eine Ungleichzeitigkeit ja zumindest hätte ausbeuten lassen. Überhaupt ist der Roman ein Beispiel für verpasste und verschenkte Standartsituationen, die einem Stück Literatur zuverlässig zu etwas Komplexität verhelfen könnten.

 

Der Held ist ein Übersetzer bei der Unesco, ewig verliebt in ein über die Welt irrlichterndes Fräulein. Gut. Auch als Übersetzter kommt man viel in der Weltgeschichte herum, sodass er seine Herzensdame immer wieder für kurze Zeit aufspüren kann. Klar wird einmal erwähnt, dass Übersetzer eine seltsame Psyche haben müssen, da sie all ihre Aufmerksamkeit auf die Verständigung anderer Menschen richten müssen – also nie mit ihren eigenen Gedanken sprechen, und man könnte glauben, dass der gute Mann ein ebensolches Verhältnis zu seiner Obsession hat – ein fremdgesteuertes, aber nein, es ist wirklich Liebe – weiß der Teufel, was das sein soll. Llosa wird aber nicht müde, es ständig seinen Helden erzählen zu lassen. Woraufhin sich eine den ganzen Text über unverändert wiederauftauchende Szene abspielt: Madame ist kokett, bringt Monsieur, der meist in Paris lebt, zur Raserei, sie gewährt Sex, er wähnt sich auf Wolken, und dann ist sie wieder weg. So geht das alle 50 Seiten, und bei der ersten Wiederholung denkt man sich noch – nanu, der Arme, aber bei der x-ten Wiederholung fragt man sich, warum vor allem die bedauernswerte Sexszene, die schon beim ersten Mal nicht sonderlich kracht, in aller Ausführlichkeit repetiert wird, der Roman wäre 100 Seiten schmäler ohne diese.

 

Der Mann ist jedenfalls wie ein „Mondkalb“ in diese Frau verliebt, die ein Satansbraten ist. Leider kann man nie die Perspektive des Satansbratens einnehmen, sie führt ganz offensichtlich das interessantere Leben, wenn man denn ihrem Anbeter glaubt. In der Figur dieser Dame ließen sich etliche Erzählstränge und literarische Stockwerke verzwirbeln – fantasiert man sich, vom Lesen frustriert, nur nachdrücklich in die verpassten Gelegenheiten hinein. Das wäre dann die tolle Geschichte einer Hochstaplerin, so ist es nur eine süßliche Sentimentalität mit bitterzartem Ende, so wie es das Klischee für „Böse Mädchen“ verlangt.

 

Nora Sdun

 

Mario Vargas Llosa: Das böse Mädchen. Roman. Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2006, 396 Seiten

 

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