9. November 2006

Bündisches mit Haifilet

 

Sonderlich sympathisch sind die beiden Helden dieses anspruchsvollen Abenteuerromans für Heranwachsende nicht gerade. Gursky ist Fernsehmoderator, der mehr oder weniger bekannte Musiker auf ziemlich prollige Weise vorführt. Das ist sein Markenzeichen, aus diesem Grund wird er aber auch wieder entlassen. Der andere heißt zwar nicht Christian Kracht, aber immerhin Schweitzer, ist Schriftsteller und vor allem steinreich. Die Wege der beiden kreuzen sich hier und da, immer vermittelt über Frauen, und das ist auch der Grund, warum sie mehr Feind als Freund sind, auch wenn sie quasi-totemistisch mal die Unterhosen tauschen. Bevor Gursky im Hafen der Ehe festmacht, will er es noch einmal wissen. Ohne seine schwangere Frau zieht er los, nach Kuba, um dort einen Hai zu fangen. Das hat mit seinem Vater zu tun. Der war eher langweilig, hat aber immerhin das Glück gehabt, bei einem Angeltrip einen Hai an die Leine zu kriegen und aufs Schiff zu hieven. Seitdem schwimmt der Hai in Gurskys Kopf. Man hat hier also einen klassisch ödipalen Familienroman (allerdings unter popliterarischer Ausschaltung der Familie). Was dem Vater eher zufällig geschah, will der Sohn bewusst inszenieren. Dass die Selbstinitiierung nicht so einfach ist, kriegt man gleich am Anfang mit, denn die Geschichte wird als Rückblende erzählt, und die Lage, in der sich Gursky befindet, während er sich erinnert, ist gar nicht so nett. Um so unterhaltsamer und spannender für den Leser. Der also auszog, vor dem Hai das Fürchten zu lernen, trifft auf einem völlig heruntergekommenen und überhaupt nicht dem Cliché entsprechenden Kuba auf Schweitzer. Dem scheint es nicht gut zu gehen, denn sein Gesicht sieht aus wie das Bild des Dorian Gray. Etwas später schon – die beiden haben einen Pakt geschlossen – gehen die beiden gemeinsam auf Haifischjagd. Etwas Bündisches entsteht tatsächlich zwischen Gursky und Schweitzer. Manchmal so ein bisschen eine Hermann-Hesse-Romantik. Zwei gegen den Rest der Welt. Was das dann etwas anstrengend zu lesen macht, ist, dass zur Beschreibung ihrer erst mal vergeblichen Jagd auf den Hai auch noch der Kommentar mitgeliefert wird (die Suche nach dem Ursprünglichen, Authentischen), die Analyse, an die man sich als Leser vermutlich selber gerne gemacht hätte. Es hat etwas Entmündigendes, wenn einem nichts mehr zum Denken gegeben wird und die Kommentierung oft mit den Clichés zusammenfällt, vor denen die Helden doch geflohen sind. In der zweiten Reihe lauert also immer ein wenig der Kitsch. Das nicht ironisierte Heroische, das erst am Ende in einer Selbstläuterung des einen Helden als Simulakrum verworfen wird. Sehr schön zu lesen dagegen zwei Geschichten in der Geschichte, die eine klingt wie ein Märchen, das die Brüder Grimm auf Kuba aufgeschrieben haben könnten, die andere ist eine Erzählung von Schweitzer, eine autobiografische Allegorie und ebenfalls eine Vater-Sohn-Geschichte, die absurderweise an Ionesco denken lässt. Mit der Normalität der Väter kommen weder Schweitzer noch Gursky zurecht. Und mit dem Hai-„Ding“ wollen sie sich vor sich selbst rechtfertigen und retten. Wie bei „Moby-Dick“ wird der Hai zum Symbol mit allen Ambivalenzen. Und am Ende weiß man nicht, wer die Jäger und wer die Gejagten sind. Ein düsterer Glamour durchzieht das Buch, male chauvinist pigs an allen Ecken und Enden, Frauen firmieren als Damenopfer, Hemingway dürfte mit seinen beiden Jungs zufrieden gewesen sein.

 

Dieter Wenk (09.02)

 

Marc Fischer, Jäger. Roman, Köln 2002 (Kiepenheuer & Witsch)