26. Oktober 2006

Unerwartetes Mutterglück

 

„Ich bin nicht Demi Moore, und ich bin auch nicht die, die zu eurer Zeit das Äquivalent zu Demi Moore war oder ist. Ich bin real.“

 

Elizabeth „Liz“ Dunn ist 36, übergewichtig und einsam, als im Sommer 1997 der Komet Hale-Bopp über Vancouver fliegt und ein Anruf aus dem Krankenhaus ihren tristen Alltag komplett auf den Kopf stellt. Der 20-jährige Jeremy wird mit einer Überdosis ins Krankenhaus eingeliefert und behauptet, dass Liz seine Mutter sei. Liz wird plötzlich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert und erzählt in Rückblicken von ihrer Kindheit, dem distanzierten Verhältnis zu ihren Eltern und dem Abend in Rom, der sie neun Monate später zur Mutter eines Kindes machte, das sie daraufhin zur Adoption freigab und erst 20 Jahre später im Krankenhaus wieder sehen soll.

Mit viel Witz und Charme erzählt Douglas Coupland von den Schwierigkeiten des nachträglichen Mutterglücks der Protagonistin.

 

„Ich kroch mit meinem Sohn auf allen vieren den Trans-Canada-Highway entlang. Ich hatte schon davon gehört, dass die Mutterschaft einer Frau die Würde rauben kann – und dies war mein Crashkurs in dieser Disziplin.“

 

Die wahre Herausforderung steht Liz allerdings noch bevor: Sie erfährt, dass Jeremy an Multipler Sklerose leidet und nicht mehr lange zu leben hat. In seinem Krankheitszustand sieht Jeremy Visionen, die Liz im Laufe seiner Erkrankung notiert und aufhebt. Sieben Jahre nach Jeremys Tod erhält Liz einen Anruf aus Österreich und steht nach vielen Hindernissen und einer Reise um die halbe Welt vor Jeremys Vater und ihrem eigenen Neuanfang.

 

„Eleanor Rigby“ beschreibt die Schwierigkeit, der gegebenen gesellschaftlichen Vorstellung eines idealen Familienlebens nachzukommen. Davon hatte Coupland bereits in seinem großartigen Roman „Alle Familien sind verkorkst“ berichtet. In seinem neuen Roman ist Liz das Paradebeispiel des „schwarzen Schafs“ der Familie. Jeremys Erscheinen löst zwar die Distanz und bringt die ganze Familie wieder zusammen, seine Krankheit überschattet allerdings das Glück. Nah am Kitsch versteht es Coupland auch in seinem neuen Roman, mit Sentimentalität, Plattitüden und Tragik die nötige Fallhöhe zu garantieren.

 

„... in meinem Körper findet ein Wettrennen zwischen Leben und Tod statt. Aber trifft das nicht auf jeden zu, der je gelebt hat, auf immer und ewig? Liegt das nicht in der Natur des Lebens?“

 

Douglas Couplands Roman fesselt auf eine angenehme und sanfte Weise und ist bis zum Ende voll kleiner Überraschungen, der Schreibstil in Form eines Tagebuchs verstärkt die emotionale Nähe zum Geschehen. „Eleanor Rigby“ ist der ideale Roman für einen unterhaltsamen Nachmittag, bei dem man vor lauter Schmunzeln gerne mal die Zeit vergisst.

 

Valentina Förderer

 

Douglas Coupland: Eleanor Rigby, Hoffmann und Campe 2006

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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