26. August 2006

Von Hängematten und Beziehungen

 

Aus der Vogelperspektive betrachtet sind die emotionalen Verwerfungen jeden Grades nie ergreifend, sondern immer nur lächerlich. Der Titel der Originalausgabe „En case de bonheur“ beschreibt präziser, wie gleichgültig sich Liebesbeziehungen ineinander verflechten und entflechten. David Foenkinos „Größter anzunehmender Glücksfall“ ist nämlich kein Gau, sondern eine ironische und dabei höchst realistische Schilderung vollendeter Langeweile wechselnder Geschlechtspartner. „Das Leben als Paar ist das Land mit der geringsten Lebenserwartung“, heißt es im Prolog. Jean-Jacques und Claire sind berufstätig, weltmeisterschaftsreife acht Jahre verheiratet und erziehen gemeinsam eine Tochter namens Louise, die ein Wunderkind werden muss.

Alles läuft prächtig bis zum Überdruss. Jean-Jacques bekommt den kollegialen Rat, sich zur Aufmunterung eine Affäre zuzulegen. Aus Einfallslosigkeit wählt er seine Sekretärin. Das funktioniert gut. Auch Claire ist in der Zwischenzeit nicht untätig und setzt auf Grund profunder Verdachtsmomente einen Detektiv auf ihren Gatten an. Der schüchterne Detektiv liefert allerdings wenig verleumderisches Material, sodass Claire, wo er schon mal da ist, eine Affäre mit ihm beginnt. Claire ist begeistert von ihrer Eroberung und trennt sich von Jean-Jacques, der verdutzt in einer Hängematte liegend zurückbleibt. Dass Männer, die zu ausdauernd in Hängmatten liegen, Gefahr laufen, verlassen zu werden, ist eine der komischen Standardsituationen des Romans, denn die Szene mit der Hängematte wiederholt sich.

Jean-Jacques trauert und bucht nun seinerseits einen Detektiv, um seine Frau aufzuspüren. Seiner geliebten Sekretärin gibt er den Laufpass.

David Foenkinos ist Drehbuchautor und deshalb kommt der Leser seines Romans in den Genuss eines klassischen Komödienplots. Als seien die Detektive ihrer denunziatorischen und destruktiven Arbeit überdrüssig. Denn anstatt sich nun endgültig zu entfremden, kalt und trauernd der Zersplitterung der Lebensentwürfe zu meditieren, paktieren die Detektive miteinander und bereiten ein Arrangement zur erneuten Liebeserklärung zwischen den Eheleuten.

Das Happyend steuert schon wieder bedenklich in Richtung Perfektion von Langeweile. Doch die Komik einer Komödie ist in aller Regel die Komik, die ein allwissender Erzähler herzustellen weiß, der dem Leser mehr Informationen zugesteht als seinen Protagonisten. Das gelang Foenkinos schon 2004 mit seinem erfolgreichen Roman „Das erotische Potential meiner Frau“ mit kurzen Sätzen und skurrilen Einfällen. Auch in seinem neuen Buch produziert das Stakkato der Gemeinplätze genau die Ironie, die den Roman davor bewahrt, im typischen Beziehungsschlamassel stecken zu bleiben, stattdessen wippt sich Foenkinos mit hohem Tempo von Episode zu Episode.

 

Gustav Mechlenburg

 

David Foenkinos: Größter anzunehmender Glücksfall, C H Beck 2006, 224 Seiten, 17,90 €, Aus dem Französischen von Christian Kolb

 

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