13. Juni 2006

Baden gehen

 

Lakonismus ist die Sache von Eric Rohmer nicht. Seine Figuren sind extrem uncool. Auch wenn man bei „Sommer“ erst mal glaubt, in einem Stummfilm zu sein, geht das Geschnatter doch recht bald los. Ein junger Mann an einem Strand in der Bretagne, in seinem Zimmer, das ihm ein Freund dort überlassen hat, in einem Lokal, wo er ein bisschen trist und in sich gekehrt vor sich hin isst, aber natürlich wartet man schon auf das „Damenopfer“, auf die junge Frau, auf die der junge Mann, Gaspard, bald stoßen wird. Es kommt also zu einer Begegnung, schnell erfährt man, dass beide, Gaspard und die junge Frau, gebunden, dass die Partner aber gerade nicht zur Hand sind, der Freund forschungshalber in Polynesien, Gaspards Freundin, Lena, mit Freunden in Spanien. Platz also für eine kurze Sommerromanze? Margot ist im Vergleich zu Gaspard gesprächsweise offensiv, in Liebessachen über die Beziehung mit ihrem Freund hinaus jedoch absolut reserviert. Kleine spätere Streicheleinheiten bei Gaspard sollten nicht erotisch missverstanden werden, aber kann man so etwas überhaupt missverstehen? Margot ist also die Frau mit den festen Grenzen, die sich aber damit in die Rolle der geschmähten Frau begibt, die von Männern nicht richtig ernst genommen wird und eben nur die ist, zu der man von eigenen Problemen spricht, eine undankbare Rolle also, wie Margot am Ende selbst feststellen muss, was ja auch zu ihrer Lockerung in eroticis beiträgt. Nachdem Gaspard erkennen muss, dass seine Freundin ihn im Stich gelassen hat – sie hatten sich zwar vage, aber immerhin doch überhaupt, in dem Ort in der Bretagne verabredet –, fragt er sich natürlich, wie das ist mit der Liebe zu Lena und ihrer Liebe zu ihm. Bei einem Discoabend mit Margot und Freunden taucht eine dritte Frau auf, Solène, noch bevor Lena gezeigt wurde, eine Bekannte von Margot aus demselben Ort, sehr attraktiv, aber auch mit etwas rigiden Zügen in Sachen erste Nacht und Partnerschaft insgesamt. Jedenfalls findet sie Gaspard richtig toll, er sie später auch, nachdem sie auch so schön mitgesungen hat bei dem Lied, das Gaspard eigentlich seiner Freundin Lena gewidmet hat. Die taucht natürlich jetzt auch auf, nachdem Gaspard doch etwas auf den Plan gekommen ist, eine kleine Sommerliebe zu haben und nicht nur die ganze Zeit auf der Gitarre melancholisch zu spielen. Margot ist mittlerweile sauer, weil sie nur ein Ersatz zu sein glaubt, aber die Rolle hat sie sich wie gesagt selber vermittelt. Lena kommt man eigentlich überhaupt nicht auf die Spur, sie weiß noch nicht so recht, was sie will, während sie sehr genau zu wissen scheint, was sie nicht mehr will, nämlich das Maskottchen von Männern zu sein. Hier wächst eine sich emanzipierende Frau heran. So weit bringen es die anderen beiden Frauen nicht, die mehr im grundsätzlichen Liebesdiskurs von Treue und pragmatischer Zweckmäßigkeit verharren und insofern auch besser zu behandeln sind. Darauf kann man sich einstellen. Leider aber gelingt es Gaspard, sich mit allen drei Mädchen zu einer Bootsfahrt auf eine Insel zu verabreden, auch noch zur gleichen Zeit. Auch hier erheben sich dogmatische Positionen eher auf Frauenseite. Als auch noch Margot sich als Liebhaberin anbietet, steigt Gaspard das über den Kopf und ein Telefonanruf eines Freundes, der Gaspard wieder auf den Boden der musikalischen Tatsachen zurückholt und ihn daran erinnert, wer die Nummer eins in seinem Leben ist (Musik), rettet ihn: Er schlägt den Gordischen Knoten beherzt durch und verlässt den Urlaubsort. Die Absagen werden brieflich zugestellt werden, denn über getroffene Entscheidungen muss man nicht mehr diskutieren. Ob sich Gaspards Gefühle dezisionistisch beruhigen lassen, sagt der Film nicht mehr.

 

Dieter Wenk (06.06)

 

Eric Rohmer, Sommer (Conte d’été), F 1996, Melvil Poupaud, Amanda Langlet, Gwenaëlle Simon, Aurélia Nolin