7. Juni 2006

Flatness revisited

o.T. 2006
o.T. (06-2), 2006, Courtesy Galerie Jan Wentrup, Berlin
o.T. (05-84), 2006, Courtesy Galerie Hammelehle und Ahrens, Köln
o.T. (05-68), 2005, Courtesy Galerie Hammelehle und Ahrens, Köln
o.T. (06-1), 2006, Courtesy Galerie Jan Wentrup, Berlin
o.T. (06-28), 2006, Courtesy Galerie Jan Wentrup, Berlin

 

Die Bildformen sind vertraut, ihre Umsetzung ist es nicht. In seiner Malerei bedient sich Jens Wolf der Formensprache reduzierter, geometrisch geprägter Abstraktion. Die Referenzen sind offensichtlich: Hardedge, Systemic Painting oder Konstruktivismus – allemal antisubjektivistisch, unter Abzug malerischer Handschrift und ausgerichtet auf die legendäre Greenberg’sche Flatness. Manche dieser Arbeiten spielen äußerst grenznah mit Bildformen eines Kenneth Noland oder Frank Stella, in anderen meint man Anleihen an Max Bill oder auch, etwas weiter reichend, an Franti_ek Kupka zu erkennen.

 

Solche Adaptionen werden bei Wolf zu etwas völlig anderem. Er nutzt die kunsthistorisch sanktionierten Formensprachen als ästhetisch codierte Ausgangspunkte, spielt in seiner Malerei das Moment des Wiedererkennens aus, während er jene „Vor-Bilder“ darin in den Widerspruch treibt: Die coole Flatness, die der Bildlogik von Hardedge und Post-Painterly Abstraction eingeschrieben ist, bringt er durch formale Entscheidungen, aber auch anhand von Materialität zum offenen Bruch. Meist setzt Wolf die Motive freigestellt auf ungrundiertem Sperrholz: gestaffelt lineare, kurvige oder auch mal konzentrisch ausgreifende Farbstreifen, sich überschneidende Kreise oder aneinander gereihte Halbkreisformen. Solche Motive kommen hier oft ausgefranst und fragmentiert aufs Tapet, ganz so, als sei ein Teil der Farbschicht weggerissen, partiell verwischt oder abgeplatzt. Ähnliches gilt für die Bildträger selbst, die nicht selten gesplitterte oder abgerissene Kanten aufweisen. Auch die Farbigkeit der Werke ist bewusst ein bisschen ärmlich. Und wenn sie, wie etwa im gelbweißschwarzen o.T. (06-1) (2006), mal kräftiger ausfällt, dann unterläuft dort die materialfremde, aber knapp dissonant farbverwandte Sperrholztönung die Präsenz der farbig lackierten, teils glänzenden Flächen derart, dass sie deren Strahlkraft in sauber austariertem Maße schluckt und herabmoderiert.

 

Diese Bilder wirken wie blasse Erinnerung an ein ja zumeist ausgesprochen trennscharfes und zugstarkes Hardedge-Kolorit. Über solche Material-, Farb- und Formkontraste respektive -brüche paraphrasiert Jens Wolf jene tradierten Bildsprachen auf ganz neue Weise aus. Und mit Gespür fürs Raffinement des Spröden verschiebt er dabei die mit ihnen eingeführten Geltungsbedingungen, erobert hinterrücks wie wirkungsvoll eine formal anderes gefasste Vorstellung von Bildhaftigkeit zurück: Unter minimalistischer Prämisse fallen Bild und Bildobjekt in eins. Greenbergs Basisforderung nach Flatness, als ungebrochener Anspruch ans Bild, schließt dessen Oberfläche hermetisch ab und entwirft es als abstraktes Bildobjekt – sodass die Differenz zwischen einem ontologisch reinen Bild und dem Status eines bloßen Objektes kaum noch aufrechtzuerhalten war. Wolf schleust in diese Bildauffassung Brüche ein und reißt beides, Bild und Bildobjekt, hier förmlich auseinander. Die gebrochenen, aufgerissenen Formen, eine Oberfläche, die nicht mehr über durchgängigen Farbauftrag definiert ist, die betont raue Stofflichkeit des Trägermaterials, die von der malerischen Setzung abgehoben bleibt und nicht mit ihr zur Deckung kommt – mit all dem geht Wolfs Malerei eine offenere, freiere Beziehung zur Flächigkeit des Bildes ein.

 

In seiner jüngsten Ausstellung bei Jan Wentrup, Berlin, hat Wolf eine großformatige, raumbezogene Wandarbeit realisiert: o.T. (2006) ist ein lang gestrecktes Band aus unterschiedlich breiten horizontalen Streifen und zieht sich auf Augenhöhe über zwei angrenzende Wände und eine Raumecke hin. Doch Malerei ist dabei eigentlich bloß optische Erinnerung, denn tatsächlich hat Wolf für diese Arbeit Stoff, Klebeband und Alufolie auf die Wand gebracht und anschließend teils beschnitten oder weggerissen. Feine Bleistiftlinien geben auf der gesamten Länge der beiden Wände ein Raster vor. Die so markierten Flächen wurden mit Material beschichtet: Drei verschieden schmale Bahnen aus schwarzem Stoff, dazwischen einmal das Weiß der Wand als linear gefasste, positive Form, die an anderer Stelle mit einem schmaleren, aufs Schwarz aufgesetzten, beigefarbenen Tape ein Echo erhält. An den äußeren Rändern hat Wolf Bahnen aus Alustreifen geklebt und anschließend teils wieder abgerissen, sodass deren silbrig glänzende Linearität wie flackernd rhythmisiert erscheint. Außer dieser Raumarbeit zeigt Wolf in der Ausstellung lediglich das oben erwähnte o.T. (06-1) – diese reduzierte Auswahl folgt einer Logik der Zuspitzung: Hier stehen sich Wand- und Tafelbild, Farbe und Stoff, Farbigkeit und Schwarzweiß, das horizontal Geradlinige und die senkrecht verlaufende Kurve gegenüber. Wolf unterstellt seinen trojanischen Minimalismus einem sinnlichen Kalkül, er setzt in seinen Bildern Gesten einer Reduktion, die nicht so ohne weiteres zur Auflösung zu bringen ist. So bewahren sich die Bilder ihre offenbare Hermetik und eine strenge Schönheit aus formalem Eigensinn.

 

Jens Asthoff

 

Aktuelle Ausstellung:

Jens Wolf, Malerei, Galerie Jan Wentrup, Berlin, 10.5.–24.6.2006, www.janwentrup.com

 

Vertretung außerdem durch:

Galerie Hammelehle und Ahrens, Köln, www.haah.de