13. Oktober 2003

Worst Case Scenario

 

Norbert Kron steuert seinen "Autopiloten" in die Katastrophe

 

Von Gustav Mechlenburg

 

Michael Lindberg hat eigentlich alles getan, was ein Mann so tun muss: Er hat zwar kein Haus gebaut, das nötige Kleingeld dafür hätte er allerdings locker übrig. Auch hat er keinen Baum gepflanzt. Doch in Zeiten, in denen Äpfel im Supermarkt zu kaufen sind, bedarf es sowieso anderer Strategien der beruflichen Selbstverwirklichung. Und auch da steht Lindberg nicht schlecht da als erfolgreicher Produzent von progressiven Fernsehshows. Eins allerdings scheint auch im Zeitalter der Genforschung immer noch nicht kompensierbar zu sein: Ein eigenes Kind zu bekommen.

 

Die Diagnose ist eindeutig. Nicht seine Freundin, sondern er selbst ist der Grund dafür, dass sie keine Kinder zeugen können. Nicht dass sie ihr Leben darauf ausgerichtet hätten. Aber doch fällt durch diese Tatsache ein denkbarer Weg abrupt weg. Für Lindberg eine "paradoxe Katastrophe, die nicht im Hereinbrechen irgendeines äußeren Ereignisses bestand, das alles Bisherige aus dem Zusammenhang riss, sondern eben darin, dass nichts geschah, dass nichts eintreten konnte: Mein Leben blieb auf ewig so, wie es war."

 

Klar, dass sich ein Mann der virtuellen Inszenierung einem stupiden biologischen Fakt nicht unterwerfen mag. Da trumpft die Hauptfigur in enervierender Fachsprache mit Selbstmanagement als Lösung für das Worst case scenario auf, und im Helicopter view nimmt sie eine objektivierende Haltung zur eigenen Situation ein. Norbert Kron, Mitherausgeber der Literaturzeitschrift "Konzepte", entwickelt aus dem Versuch des Helden, etwas Bleibendes in der Welt zu hinterlassen, ein spannendes Szenario. Auf eine Idee fixiert steht Lindberg neben sich, "ein Mann, der auf Autopilot geschaltet hat".

 

Doch noch mehr als die bis zuletzt ungeklärte Tatabsicht, lebt das Buch von den zerfleischenden Selbstreflexionen Lindbergs und den intelligenten Dialogen mit seiner sich von ihm immer weiter entfremdenden Freundin.

 

Wenn die zu seiner Talkshow eingeladenen Verbrecher dann auch noch in hochphilosophischer Abstraktion über den Zusammenhang zwischen Erzeugen und Zerstören reden, geht die Fantasie zwar mit dem Autor durch, dafür spiegelt sich darin nicht ohne Geschick die existenzielle Frage des Romans.

 

Norbert Kron: Autopilot. Roman.

Carl Hanser Verlag, München 2002.

260 Seiten, 19,90 EUR.

ISBN 3446201327