13. Oktober 2003

Dem Fisch folgen

 

Kurzrezension Von Gustav Mechlenburg

 

Am liebsten würde sie fliegen. Doch die namenlose Protagonistin im Debütroman des Engländers Bill Broady muss schwimmen. Früh hat sie das Wasser als ihr Element entdeckt. Und das wird von allen Seiten gefördert. Schon als Kind gerät sie in die Mühlen von Drill und Ruhm. Für die Sehnsucht, ihrer Vorbestimmung zu entgehen, steht die Metapher des Fliegens. Sie kehrt leitmotivisch wieder in der Beschreibung des Butterfly-Schwimmstils und dem letzten "Flugversuch" der Erzählerin, der nach endgültig abgebrochener Sport- und Modelkarriere in der Irrenanstalt endet.

 

Broady quält den Leser nicht mit einer sentimentalen Reportage über Ehrgeiz und Ausbeutung. Trotz der Kürze des Romans sind die Figuren aus dem Umfeld der Schwimmerin dafür zu komplex gezeichnet, wie zum Beispiel der Vater des Mädchens, der jederzeit einen sarkastischen Spruch auf Lager hat.

Um das Sportinternat seiner Tochter zu finanzieren, scheut er sich nicht vor zahlreichen erniedrigenden Nebentätigkeiten. Kein Klischee nimmt dem Leser die Beurteilung der Charaktere ab.

 

Broadys Stil changiert dabei zwischen psychologischer Analyse und voyeuristischer Teilnahmslosigkeit. Manches Mal wirkt die direkte Anrede mit "Du" über 120 Seiten hinweg allerdings einfach nur penetrant. Eine Erzählhaltung, die Broady wählt, weil er für Menschen sprechen will, die selbst nicht in der Lage sind, sich auszudrücken. Mag sein, dass Worte der Sportler Sache nicht sind. Stellvertretend für sie das Wort zu ergreifen, hat allerdings den schlechten Beigeschmack lehrerhaft-anmaßender Allwissenheit. Und so ist es weniger dem aufgesetzten Stil als eher der Folgerichtigkeit der Handlung zu verdanken, dass der Roman gelingt, indem er verstört.

 

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Financial Times Deutschland Seite: Weekend

Datum: 09-11-2001 Autor: *Gustav Mechlenburg*

 

 

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