18. Februar 2006

Der Letzte macht das Licht aus

 

Motorisierte Banden beherrschen die Straßen. Morde und Überfälle sind an der Tagesordnung in den verwüsteten Städten. Selbst die Fantasielosesten konnten sich nach dem 1978 produzierten Sciencefiction „Mad Max“ ein vages Bild davon machen, wie das Leben auf der Erde aussehen könnte, wenn die Erdölreserven knapp geworden sind. Chaos und Anarchie herrschen, Öl und Benzin sind wertvoller als Gold. Das Buch zum Film, könnte man flapsig sagen, hat nun der Politologe Elmar Altvater geschrieben. Er gibt dem Eintreten der scheinbar in ferner Zukunft spielenden negativen Utopie höchstens noch 40 Jahre.

 

Elmar Altvater ist besorgt. Der Kapitalismus ist pensionsbedürftig. Die Zeit für eine Ablösung des historischen Phänomens dieser speziellen Wirtschaftsform ist überfällig. Ein Allheilmittel hat der emeritierte Professor allerdings nicht parat. Es geht auch nicht um die Heilung des Kapitalismus, sondern um ein notwendiges Umdenken und Abschiednehmen. Bloß wie? Altvater liefert Modelle. Er zeigt die historische Dringlichkeit und schildert die gern verdrängten sozialen Härten. Die Behauptung, die freie Marktwirtschaft sei nun einmal das am besten funktionierende System, ist nicht haltbar. Zum einen stößt das Wachstum an Grenzen, wenn die Energieressourcen zuneige gehen, zum anderen ist die freie Marktwirtschaft nicht frei, und das wird eher früher als später für erhebliche soziale Unruhe sorgen, auch in Europa.

 

Wachstum um jeden Preis ist gekoppelt an fossile Brennstoffe, die aus dem Boden sprudeln. Die kleinste Ölkrise verursacht Unsicherheit und Panik. Im neoliberalen Verständnis sind solche Unsicherheiten eher von Vorteil als von Nachteil, sie verhindern jegliches emanzipatorische Bedürfnis. Alternative Versuche werden immer wieder in den Wettbewerb zurückgezwungen, Solidarität kommt so nicht auf. Aus Sicht Altvaters gilt es, diese Unsicherheit in Mut zu verwandeln. The good old capitalism formaly known as goodfather of fortune and prosperity zeigt sich nämlich jetzt bereits als Entwicklungsbremse und Katastrophenbeschleuniger, denn Monopole sind unpraktisch und unflexibel, bereits geringfügige Irritationen der Abläufe lassen ein ganzes Land zusammenbrechen, da keine Alternativen bereitstehen. Ein Bild, das der Autor dazu aus jüngster Zeit bemüht, waren die dramatischen Verkehrsstaus auf Grund liegen gebliebener Fahrzeuge bei der Flucht vor dem Tropensturm Katrina.

 

Gerade Unsicherheit leitet den aufmerksamen Beobachter an die Lecks des Kapitalismus, die nie mehr zu stopfen sind. Negri und Hardt, schallala, mach mir den Salsa der Konsumkritik inklusive – nein, um Kritikkitsch und Ich-AG-Enthusiasmus mit ökologisch korrekten Kompostierungsraten geht es Elmar Altvater nicht. Verhaltensmaßregelungen wie Sonntagsfahrverbote, Emissionsregelungen und sonstige Superprämien, sind für ihn nichts als Kosmetik.

 

Die Aufmerksamkeit Altvaters gilt den Überlegungen zur Dezentralisierung von Energie. Ölkriege auf der ganzen Welt sind Ausdruck der Monopolisierung von Reserven. Wenn einzelne Gemeinwesen unabhängig von Ölmultis operierten, wäre das Druckmittel Wachstum Geschichte. Die Perversion des Wachstumsgedankens liegt in der Entkoppelung von den Produktionen, die egal wo immer anwachsen sollen, denn im Grunde wartet nur ein Heer von Rentnern geduldig auf die gesteigerten Ausschüttungen ihres Investmentfonds.

 

Die endlichen Ressourcen im Blick, ist die Formulierung vom Peak Oil das Stichwort für Altvater, es bedeutet, dass international operierende Firmen bereits mit dem Versiegen der Ressourcen rechnen. Peak Oil ist der in naher Zukunft explodierende Kostenfaktor der Erdölförderung.

 

Teuer wird auch der Übergang, der Generationswechsel, vom alten, wachstumsorientierten Kapitalismus zur nachhaltigen Solargesellschaft. Allerdings sind die Staaten, in denen der Kapitalismus noch einigermaßen akzeptabel über die Bühne geht, privilegiert, einen Wechsel zu vollziehen, der mit Bürgerkriegen und Chaos über die Welt kommen wird, wenn man ihn nicht vorbereitet. Das Ende des Kapitalismus muss von den Staaten kontrolliert herbeigeführt werden, um nicht mit seinem Ende unterzugehen.

 

Eine Firma für Solaranlagen wirbt zur Zeit im Fernsehen mit der schlichten Ansage: In 40 Jahren ist das Öl alle. So ist es.

 

Gustav Mechlenburg

 

Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen, Westfälisches Dampfboot 2005, 240 Seiten, 14,90 €

 

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