2. Juni 2005

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Können die das überhaupt, ja, dürfen die das? Angerockte Kluft, ungepflegtes, langes Haar wecken Erinnerungen an die schlechtesten Seiten der siebziger – beim einen (Stefan Jürgens); der andere, trotz Siebentagebart, ein Milchbubigesicht, der nur durch seine schwarze Kleidung darauf aufmerksam macht, dass er irgendeine Gewaltbefugnis hat (Dominic Raacke). Zwei Kommissare, Robert Hellmann und Till Ritter, die sich blind verstehen, auch wenn sie anfangs nicht viel sehen. Doch so viel ist klar: Deutschland braucht amerikanische, genauer: New Yorker Polizeiverhältnisse, law and order, auf dass die polizeilichen Prügelknaben zu prügelnden Knaben werden. Und wenn auf diesem Feld nichts passiert, muss man eben selbst tätig werden, eruieren, abhören, verhören und schließlich zuschlagen, im weitesten Sinn. Zu große Laschheit provoziert großzügiges Überschreiten.

 

Die Polizei, das merken die beiden Kommissare, ist dabei, auf ihrem eigenen Feld geschlagen zu werden, vielleicht sogar von ihrem eigenen Personal, so der Anfangsverdacht, der sich erhärtet und bestätigt. Junge, dynamische, überpflichtbewusste Beamte, die auf den Geschmack bündischer Tugenden und engelsmäßigen Sendungsbewusstseins kommen und schlicht nur das ausführen, so denken sie, was eh im Kopf der meisten vorgeht. Endlich Gerechtigkeit, hier und jetzt, stopft dem Drogendealer das Maul mit seinen eigenen Pillen, auch wenn er dabei krepiert, besser er als „Unschuldige“, z.B. Schüler, erspart euch den Weg zum Staatsanwalt und klärt die Sache vor Ort, der Staat, das seid ihr und die Fakten der nachweisbaren Illegalität, wozu haben wir in unserer Jugend so viele Western gesehen, der Gerechte ist sein eigener Sheriffstern und handelt aus diesem Auftragsbewusstsein der fälligen Säuberung. Denken sie. Und ob genau das die Staatsanwältin verstehen könne, fragt der sensible Siebentagebart. Ja, sagt sie, das könne sie verstehen. Na bitte, wir wünschen gute Zusammenarbeit. In Richtung Doppelstrategie. Gegen das Unrecht, und gegen die Zivilcourage auf gesetzlich geregeltem Terrain.

 

Das ist ein bisschen wie des Kanzlers Order einer Bürgergesellschaft von oben. Zu viel des Guten oder die endlich sich zeigende Wiedereinsetzung eines lange verschwundenen gemeinsamen Moralempfindens? Einer deutschen Pflichtmoral? Denn deren Gegner sind eindeutig Ausländer und – Männer. Ausländische Frauen sind uns willkommen, denn sie sind Opfer, schön, intelligent und nur der Umstände wegen z.B. Semiprostituierte. Ihnen kann geholfen werden. Dafür gibt es die Liebe. Aber die entsprechenden Männchen werden erschossen, von der Polizei (nur wenn’s gar nicht anders geht natürlich) oder von der Bürgerwehrfraktion der sympathischen Prügelknaben. Die Rache an Matti, einem Prügelknaben als Polizist, ist nicht süß, aber doch irgendwie geboten, wenn man in dieses Gesicht seines Freundes schaut. Gut, dass es die Polizei gibt ohne mentalen Selbstjustizanhang, sie erzählt, im Beisein aller Beteiligten, dass Rache sich ewig fortpflanzt. Der Rächer ist um keinen Deut besser als der, an dem er sich rächt. Gut zugeredet, Herr Kommissar, deine Milchschnitte als Gesicht ist Gold wert. Was auch Madame aus Rumänien gemerkt hat, da geht was, hier und jetzt, in deutschen Landen.

 

Dieter Wenk (07.00)

 

Tatort: Das letzte Rodeo, 9.7.00, Regie: Pete Ariel, Buch: Thomas Wittenburg, Horst Freund; SFB