22. April 2005

Ego-Agapegrillshow

Henrieke Ribbe, „Zu Hause im tertiären Sektor“, bis 27. April 2005,

 

Natürlich. Wenn man Lust hat zu drucken ... Serien, Plakate und Ähnliches. Man kann natürlich irgendwelche fiktiven Frühlingsfeste, das Ende der Kirmis, den Anfang des Jahres oder den eigenen Geburtstag zum Thema machen. Man kann zu beliebigen Themen Auflagen drucken. Das ist das Problem der Druckerzeugnisse – ist die Wahl des Sujets sowieso beliebig bei Kunst, bei künstlerischer Druckerei ist’s fatal. Die Beliebigkeit in Auflage. Wer sich etwas anderes vorgestellt hat, muss nicht traurig sein, er ist selber schuld. Und sollte man im Entwurf einen Fehler gemacht haben, gibt es diesen Fehler nun 300 Mal oder 5000 Mal, je nach Firma. Das Ganze gibt es übrigens auch als Buch und DVD.

 

Den Zusammenhang von niedergehender Umweltbewegung, sterbenden Wäldern und gleichzeitig steigendem Papierverbrauch für Ankündigungen für jeden und alles, hochglänzend und vierfarbig, ist besonders gut in der vor Mitteilung berstenden bildenden Kunst zu beobachten.

 

Seltsam ist darum diese Ausstellung. Es sind Drucke. Es gibt Auflagen. Auf Papier. Sie bewerben ein Ereignis. So weit, so üblich. Aber die Drucke sind auch selbst das Ereignis. Die Vernissage ist auch die Ankündigung der nächsten Eröffnung am selben Platz. Die Drucke sind abgeräumt, wenn das Ereignis, welches sie bewerben, stattfindet.

 

Hier wird nicht nachträglich an der Kulturindustrie herumgemäkelt, wie bei politisch besonders korrekten Plakatkünstlern, die in einer, mehr oder weniger klugen, dialektischen Showschlaufe wie Hamster laufen. Sondern hier wird vorauseilend ein weiteres Fest angekündigt. Außerdem wird das Fenster, in dem die Ausstellung stattfindet, zu dem benutzt, wofür solche flachen Schaukästen ursprünglich einzig verwandt wurden, Ankündigungen, Termine. Wie bei Kinokästen, wo man die ergreifenden Neustarts schon mal vorgähnen kann, nur dass man sich den Film dann auch in dem Schaufenster abgespielt vorstellen muss.

 

Irgendwas mit Tertiärer Sektor heißt die Ausstellung. Das ist so ein Scheiß aus dem Sozialkundeunterricht. Also Primärer Sektor: Kohleförderung. Sekundärer Sektor: Koks produzieren. Tertiärer Sektor: Koks zum Kauf anbieten – Dienstleistung nämlich. Kunst zum Kauf anbieten und gleich den nächsten Kauf anreizen. Man stelle sich einen wild gewordenen Sammler von Henrieke Ribbes Werken vor, der als komische Preziosen irgendwann diese Plakate für eine andere Malerin aus seinem atombombenschlagsicheren Grafikschrank rausrollt. Ich will für sein Seelenheil hoffen, dass er auch M. A. Simon sammelt.

 

Also rückwärts, ganz altmodisch Künstler sein und emsig zu Hause werkeln für eine Ausstellung. Natürlich ist das Henriekes Ausstellung, obwohl auf allen Plakaten M. A. Simon steht. Die Motive sind ganz Jugendstil und Art dèco, schöne Handwerkerei mit Frau im Wind. Und vorwärts (wie immer noch Postillen heißen), wie politische Plakatkunst der 20er Jahre. Hinweisen, draufzeigen. Vorwärts nach Hause in neue Gegenden der Ego-Altruismus-superperversen-Showbiz-Agape-Grillshow. Stoßmichziehdich hieß so ein vorwärts-rückwärts Tier bei Dr. Doolittle. Aber hier ist’s wirklich ironisch. Und sogar politisch?

 

(Nora Sdun)

 

Ausstellung im Schaufenster, Hamburger Hochstraße 24, Tag und Nacht