21. März 2005

Woodstock = RAF

 

Jetzt muss der Verstand ein Stück weggerückt werden, aus dem Licht und unter den Scheffel, um nicht zu sagen, dass sich hier nichts so recht begreifen lässt. Aber ist ja auch Zeit für die Revolution der Herzen, nach aller anderen Versuche Ende.

Erin Cosgrove schreibt ein Buch über den Verlauf der Geschichte der RAF, bei der Rahmen- und Nebenhandlung unentscheidbar ineinander verwoben sind: Liebesroman als Gerüst für den Umgang von amerikanischen Twens mit der Geschichte der RAF oder doch eine Liebesgeschichte mit beliebigem Plot. Kein Wort von ernst gemeinter Theorie – alles wird persifliert und von der politischen Ebene der Fakten auf die emotionale gebrochen, verschneidet Informationen als zweckdienliche für das Amüsement.

An Stelle von Systemen und Ideologien wird nur gespielt. Mit Namen, historischen Daten, Versuchen, etwas von nicht erprobter Stelle zu verändern, und Menschen, deren Motive mehr von Befindlichkeiten als von relevanten Taten geprägt sind. Der politische Mord wird zum intriganten Zug, um die Konkurrentin für denselben Mann aus dem Weg zu räumen. Ein wildes Spiel ohne Regeln und Gewinnziel, außer der selbstgerechten Zufriedenheit. So die Protagonisten. Doch es lässt gar nicht über das vergangene Kapitel der deutschen Geschichte nachdenken, da der Eindruck nicht so weit reicht und planlos Realität mit Fiktion vermischt wird.

Der Rest und alles andere ist einmal durch den Reißwolf gedreht, verhackstückt und neu modelliert, wie der Tofu, der im Buch beim gemeinsamen Essen zu Tieren geformt serviert wird. Substitution als leitendes Prinzip. Ficken und Schießen sind einerlei, sagt Holden/Baader zu Mara/Meinhof in der finalen Vereinigung des Liebesaktes, der die Welt wieder eint und für das Happyend sorgt.

Vielleicht ist es Satire oder losgelöst von der referierten historischen Wirklichkeit zu lesen. Nur fehlt die befreiende Distanz, das Unerwartete oder nur eine Form der Neudeutung, die in jeder Form besser wäre als keinerlei Versuch in dieser Richtung zu übernehmen.

Es bleibt die Frage, was das soll. Das Buch reiht sich nahtlos in die modische RAF-Rezeption gelangweilter Fashion Victims ein und schreibt diese schlicht fort. Ein Mythos ist ein Mythos und soll das wohl auch bleiben. Warum aber ist der Platz zur Aufarbeitung des Phantoms, sei es auch in Form einer Satire, nicht genutzt worden? Umso merkwürdiger, als die Autorin als Künstlerin zur RAF-Ausstellung der KW in Berlin geladen wurde, deren erklärtes Ziel Aufklärung ist. Das Ergebnis ist eine etwas langatmige Liebesgeschichte in beliebigem Szenario. Aber die nächste Revolution kommt bestimmt, die T-Shirts dafür gibt es mit zu Tarnmustern geformten Herzen bei Printet Matter in NY und das Erstaunen über die deutsche Übersetzung dieses Buches dauert bis dahin an.

 

Hannes Loichinger

 

Erin Cosgrove: Die Baader-Meinhof-Affäre, Blumenbar 2005

 

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