17. März 2005

Hormonhochstand

 

Dies ist ein Briefroman, und wie sich das für diesen Typ Literatur gehört, kann man viel mehr und durcheinander erzählen, auch viel besseren Blödsinn und geheime und gemeine Sachen ausplaudern, als in jedem anderen Genre. Der Adressat ist schließlich der beste Schulfreund, der alles wissen muss. Erst viel später, am Ende des Buches kommt der Schreiber auf die Idee, die Briefe als Roman zu veröffentlichen. Aber auch nur, weil er sich mit seinem Romanfragment von einem unsichtbar gewordenen jungen Mann, der seine Sichtbarkeit tragischerweise ausgeschissen hat, langweilt. Wie sinnig, er will einfach nicht der unsichtbare Mann sein, er will jetzt endlich rann an die Fleischtöpfe, an die Frauen vor allem, und Schriftsteller will er endlich auch werden. Und wie er das will und was er dabei anstellt, erfährt der Leser. Aus seinem Roman kriegt man Auszüge serviert, von seltsamen Jobs berichtet, auch die Novellen eines Kollegen werden erzählt. Ein nimmermüdes Geschnatter. Es macht gar nichts, dass man bei Briefromanen stets auf das Gerüst stößt, mit dem alles zusammengehalten wird. Simmons kann 1000 Episoden bündeln, mit diesem Briefeschreiber, weil der einfach gerne Briefe schreibt, und wie gut.

 

Da schreibt ein junger Mann, er rasiert sich erst seit kurzer Zeit, echte amerikanische, natürlich weiße Mittelklasse, viel versprechend, intelligent, wenn er will, höflich und charmant. Eine alberne Spezies, wie man sie in den letzten Jahren nicht mehr aus Büchern kennt. Was Salinger und Updike und Simmons vor 40 Jahren schrieben (die „Geständnisse eines ungeübten Sünders“ sind tatsächlich schon 40 Jahre alt), gibt’s heutzutage nur noch als Film, „Good Will Hunting“ oder ähnliche Schauderlichkeiten.

 

Wichtig, und in diesem Buch voll erfüllt, Tempo! Tragisches durch ebenso Komisches abfangen, und vor allem, nicht so weit schreiben, dass sich ein Weibchen für immer bei den Heißspornen niederlässt und endlich das ganz normale Leben beginnen kann, womit aber doch zu rechnen ist. Sozusagen Schwellenangst umfrisieren zu sexy Zappelphillipen.

 

Erotomanes Jungsgefasel, ironischer Patriotismus, kurz überlegte Theologie, ja, Brüste sind was Schönes, quasi Philosophie, bisschen Schullatein dazwischen, heftig geschleudert, mit Zukunftsträumen schlafen gegangen, noch ’ne nackte Frau, den Chef brüskiert, sich selbst abgeschreckt, sogar Angst gekriegt, Auto gefahren, schwimmen gegangen, alles in allem allgemeiner Hormonhochstand. Liest sich sehr gut.

 

Nora Sdun

 

Charles Simmons: Geständnisse eines ungeübten Sünders. Roman, C.H. Beck 2005, 255 Seiten

 

amazon