7. Februar 2005

Rülpser der Gegenbewegung

 

Adam Green hat mit seinen 23 Jahren bereits drei Soloalben veröffentlicht und auch in der Band „Moldy Peaches“ maßgeblich mitgewirkt. Sein so genannter „Anti-Folk“ begeistert auch New Yorker Rocker wie „The Strokes“, für die er oft das Vorprogramm bestritt. Jetzt erscheinen seine „Magazine“ in der Edition Suhrkamp in zweisprachiger Ausgabe als „sein weltweit erstes Buch“. Ins Deutsche übersetzte Thomas Meinecke.

 

Kein Sack würde dieses Pamphlet, das Green auf Konzerten und sonst wo verkaufte, drucken – und schon gar nicht SauerKamper von Beethoven –, wäre Green nicht das ausgemacht charmante Rülpsen von Gegenbewegung, nach der die Medienwelt lechzt. Inzwischen ist Green in Deutschland bereits durchs Feuilleton gewandert.

 

Adam Greens Familie floh aus Nazi-Deutschland. Seine Urgroßmutter, Felice Bauer, war mit Franz Kafka eine kurze Zeit verlobt. Ihr Briefwechsel wurde als Buch veröffentlicht („Letters to Felice“).

 

Adam Greens Buch soll Deutschland zu Leben erwecken. Wie sonst ist es zu erklären, dass man sich um diesen Jungen jüdischer Abstammung derart reißt, wie in keinem anderen Land?

 

Dass Adam Green literarisch Aufsehen erregt, ist so erstaunlich wie begrüßenswert. Die Sprach-Experimente, die Green in „Magazine“ betreibt, sind nicht neu. Wir kennen sie von Rimbaud, Bob Dylan, Rolf Dieter Brinkmann, Allen Ginsberg, Guillaume Apollinaire. Und auch der frühe Wondratschek, etwas Wiener Gruppe und Dada schwingen mit. Aber die Inhalte sind neu.

 

Es geht unter anderem um F-Worte. Ficken, ja, aber eher in Form von Free Jazz. Um die Freiheit des Denkens geht es, die Freiheit des Schreibens, um den freien Flow und das von F-Worten Gefickt-Werden. Mit unglaublicher Sprachgewalt sprengt der verträumte Bube den Rahmen des Erwarteten. Jeder Satz dieser drei Green’schen Magazine und der „8 Seiten für Allah“ erzählt eine eigene Geschichte, und doch ergeben die Texte ein Ganzes unter der Walze des Kosmos universeller Bedeutungen. Jedes Zeichen lehnt sich auf gegen Vereinnahmung und Vereinsamung und ist dabei komisch, schnell und frisch – meistens.

 

Es ist eine große Collage: Street-Talk, geniale Statements, TV-News, Bekenntnisse, Eindrücke, Bilder, subjektive Erfahrungen im durchtechnisierten und -kontrollierten Alltag – in surrealistischer Bündelung erwächst ein Panorama eines unterbewussten Stromes, das Green souverän wie locker ausfächert.

 

Nummerierungen treiben einem die Ungeduld auf den nächsten Satz in die Augen, dass das Lesen schneller wird, sich selbst überholt und in einen Sinnestaumel führt, der süchtig macht. Dabei regnet es Sätze wie: „Gegen den journalistischen Gedächtnisschwund protestierend, der die westliche Welt blendet“, „Für ihn bin ich mein Bruder“, „Hitlers Untergang bestand darin, dass er den Reden, die er hielt, glaubte“, „Wir müssen uns Deine Jeans für die Punk-Rock-Ausstellung ausleihen“, „Augen, die nach mehr Armeen auf ihren breiten Fernsehschirmen verlangen“.

 

Es ist alles da. Man braucht sich nur zu bedienen. Green berichtet live aus dem „Königreich der verhedderten Nintendo-Kabel“, führt die Fantasien in eine Kaskade bedingungsloser Kausalitäten, Vertracktheiten und Überzeugungen. „Ich werde das Unterwegs für meine Generation schreiben. Es wird ,Bleib zu Hause‘ heißen.“

 

Danke! Danke für die rote Farbe auf dem Cover (hier ist der aalglatte Dauerlutscher von surem Monocock-Cover mal zünftig). Danke für den Aufkleber mit Greens Visage. Danke für „Sie hatte einen heißen rassistischen Körper“ usw. usf. – Mehr!

 

Carsten Klook

 

Adam Green: Magazine, Edition Suhrkamp 2005

 

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