2. Februar 2005

Last Call to Kentridge

 

Das Metropolitan Museum of Art in New York hat dem 1955 in Johannesburg geborenen Zeichner William Kentridge eine Ausstellung eingerichtet. In einem Kabinett sind knapp ein Dutzend Arbeiten aus den letzten acht Jahren versammelt, die einen verknappten Einblick in das umfangreiche Werk des Südafrikaners geben. „Zeno at 4.am“, eine Radierfolge in neun Drucken, ausgeführt in Kaltnadel und Aquatinta, entstanden 2001; „Puppet drawing“ und „Portage“, ein collagiertes Leporello, beide aus dem Jahr 2000. In „Atlas procession I+II“ variiert Kentridge Motive südafrikanischer Migrationsbewegungen und politischer Protestmärsche, deren Zeuge er seit Jahren ist. Dass der Künstler eine komplexe gesellschaftliche und politische Dynamik einem breiteren Publikum näher zu bringen versteht, ist in erster Hinsicht der schon virtuos zu nennenden Beherrschung seiner künstlerischen Mittel zu verdanken. Zeichenkohle und Radierverfahren entfalten eine Textur und Intensität der Schwarz-weiß-Kontraste auf Kentridges Blättern, die, momentan vielleicht unerreicht, zumindest aber äußerst rar ist. (Auch wenn beispielsweise Robert Longo in seinen „Freud Drawings“ durch Konzeption und Materialbeherrschung zu überzeugen vermag.)

Die Ausstellung zeigt zudem einen 2003 entstandenen Film: „Tide Table“. Wie gewohnt setzt Kentridge die Technik des Animationsfilms für seine Zwecke ein. Basierend auf einer Serie aus 30 Kohle- und Pastellzeichnungen, die ständiger Bearbeitung und teilweiser Auslöschung ausgesetzt werden, entstehen Sequenzen vorrangig assoziativer Struktur. Der Film führt erneut die Figur von Soho Eckstein ein, eines Geschäftsmanns und Industriellen aus Johannesburg, der das Werk des Künstlers bereits seit 1989 dominiert. In seinem Liegestuhl am Strand beobachtet Soho leidenschafts- und teilnahmslos das Geschehen um ihn herum. Die katastrophale wirtschaftliche und soziale Situation der mittelosen Schichten Südafrikas prallt mit der selbstherrlichen Bigotterie einer vorrangig weißen Herrschaftsstruktur zusammen und erzeugt einen monströsen Pessimismus, der den Betrachter ratlos zurücklässt. In „Tide Table“ wird der Kohlestift zu einer Allzweckwaffe. Man vergegenwärtige sich die Transformation eines Ochsen in einen kopfüber hängenden Kadaver – ein kongeniales Rembrandt-Zitat. Die Arbeiten von William Kentridge sind souverän und kommen ohne jede heuchlerische Attitüde aus. Für Spät- und Schnellentschlossene, die Ausstellung ist noch bis zum 20. Februar geöffnet. Außerdem ist eine neue Edition, „Thinking Aloud“, des Künstlers im Rahmen einer Gruppenausstellung bei David Krut Fine Art zu sehen

 

Mathias Deutsch

 

www.davidkrut.com