1. Februar 2005

Augenleim

Nina Kluth: Westhafen, Kunstverein Göttingen, noch bis 18.2.2005

 

 

Was das soll? Ja wenn’s nicht Allopathie ist, dann doch mindestens Text zu einem Ereignis. Auf jeden Fall die Sache im Lauf halten und einen Fuß in die Tür kriegen. Den Moment abbrechen, den Auftakt zu einer Ewigkeit nehmen, aber eben kurz bevor sie sich auf die Ewigkeit einrichtet, so wie sich der Hund auf seinem Platz dreht und dreht, unentschieden wann er sich setzen soll, aber sitzen ist sein Ziel. Und sitzen tut es dann auch, die Farbe meine ich jetzt, und versperrt einem die Sicht auf die Ewigkeit dahinter, die sich gerade setzt. Oder irre ich mich?

 

Hatten wir früher den Butterberg, haben wir jetzt den Kulturberg. Und hier haben wir nicht anthropomorphe, aber drehende, sich wendende Landschaft (Berge auch) – handelnde Natur.

 

Absolute Landschaft. Ordnungsprozesse werden doppelt durchgeführt – im Möglichen wie Wunderbaren. Antreibender Imperativ ist immer die Beseitigung einer zeitweiligen Unordnung. Schematisch betrachtet, geschieht immer das Gleiche, aber ein extremer Augenblick, ein zurückblickendes Ereignis macht den Unterschied, also wie ist der Hund in sein Körbchen gestiegen und kam er aus dem Wald oder aus der Stadt?

Natürlich, also naturgemäß – einfach kompliziert. Wer sich fürchtet, zum Beispiel vor dem Straßenverkehr, und deshalb zu Hause bleibt, dem rast irgendwann ein Sattelschlepper ins Wohnzimmer. Dreh dich nicht um.

 

Augenleim.

„Hat der Effekt der Philosophie, die milde Nachsicht zu sein, mit dem, der sagt, was man beinahe selbst hätte sagen können“, sagt Blumenberg, und meint damit, dass man nichts Neues sagen kann, und ich stimme zu und sage noch, dass man etwas Neues malen kann, obwohl man keine neue Farbe erfinden kann. Es verhält sich wie im Märchen. Kunst als Nachahmung des Naturschönen, nicht der Natur, und niemals wechselt die Malperspektive. Seit wann malen die Gebüsche den Künstler?

 

Totalität ist angepeilt, nicht zerlegbare Logik. Verzärtelt, aber schlagend. Unkritisierbar, weil absurd. Tatkräftiges Gödelsches Phänomen: Eine Vollständigkeitstat und eine Unvollständigkeitstat. Zuerst die vollständige: Malerei muss alle Elemente eines Wunsches beantworten, erst dann ist es ein Bild. Nun die unvollständige: In Bildern gibt es Erscheinungen, die sich nicht wünschen lassen. Die Bedeutung ist dunstig, die Befriedigung funktioniert trotzdem, als Realitätsflucht nach draußen, auf die Straße, als sei’s Arkadien.

 

Und die Information zerstört das Ereignis. Die Treulosigkeit der Bewunderung entlarvt sie als Fakten, Fakten, Fakten. Geilheit der Tagespresse. Ich sage es trotzdem: Es ist Ölfarbe. Und geht’s jetzt besser? Keineswegs.

 

Nora Sdun

 

 

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