28. Januar 2005

Sucht die Kunst

 

Literaturkritik lohnt sich wieder. Wenn nahezu alle Redaktionen, von Monopol über Fokus bis hin zur SWR-Bestenliste, sich mal wieder darin einig sind, dass der neue Updike ein Meisterwerk ist, muss man sich nicht nur wundern, sondern warnen. „Sucht mein Angesicht“, das 20. Werk des großen amerikanischen Erzählers, ist unlesbar und sogar so schlecht, dass anzunehmen ist, der Autor habe die Aussicht auf den Nobelpreis damit für immer verspielt – wenn alles mit rechten Dingen zugeht.

 

In seinem kaum als Roman zu bezeichnenden neuen Buch lässt John Updike die Amerikanische Kunst New Yorker Schule nach ’45 wieder auferstehen. Allerdings nicht als Erfolgsgeschichte, sondern als lächerliche Cliquenwirtschaft. Da mag geschichtlich eine Menge Wahrheit drinstecken, allerdings noch mehr die Lust an einer Abrechnung des verhinderten Malers Updike, der sich nach seinem Kunststudium glücklicherweise der Literatur verschrieben hat.

 

Die betagte Hope Chafetz, selbst Malerin und Witwe berühmter Künstler wie Jackson Pollock und, nicht ganz so eindeutig zuzuordnen, Andy Warhol (Namen von Updike geändert, d. R.), berichtet in einem Interview mit einer jungen Kunsthistorikerin von ihrem eigenen Schaffen und dem ihrer Männer, Bettgeschichten und familiäre Dramen eingeschlossen. Als Schlüsselroman wurde das Werk zu Recht bezeichnet. Doch vor lauter Schlüssel lässt sich kein Schloss mehr entdecken, geschweige denn eine Tür, die den Blick auf irgendetwas Interessantes dahinter freigeben würde. Stattdessen selbstgerechte 300 Seiten gähnende Leere.

 

Das ist deshalb so abschreckend, weil ziemlich schnell klar ist, was Updike beabsichtigt. Das Thema Kunst mag ihm am Herzen liegen, hat er sich doch seit langem als Kunstexperte einen Namen gemacht, doch im Grunde dient die Kunstblase nur als Füllmaterial für die Interview-Situation, die ihn interessiert. „Man projiziert seine Persönlichkeit. Man umwirbt sich gegenseitig und nimmt in der seltsamen Intimität des Interviews eine Beziehung zueinander auf“, erklärt Updike seine Idee und gibt zu: „kleine Gefühle zwischen zwei Frauen, die Wiederbelebung der Vergangenheit, ein Gespräch unter Fremden: Das sind keine epischen Themen, aber ich hoffte, dass es mir gelingen würde, das Leben in seinen feinen Abstufungen zu zeigen.“ Von feinen Abstufungen kann im Text allerdings keine Rede sein. Die abrupten Wechsel zwischen Fachgespräch und Privatem sind von Updike so plump und perspektivisch uneinheitlich umgesetzt, dass einem graust.

 

Wie die Künstlerwitwe schonungslos vorgeführt wird, ihre Kleinlichkeit, ihre Rassismen und ihre Unterordnung als Frau. Das ist so vorhersehbar wie möchtegern frech gegen den vermeintlichen Mainstream und Political-Correctness-Forderungen gerichtet. Zudem ist die Konstellation, alte „erfolgreiche“ Frau, junge aufstrebende Frau, gänzlich platt und klischeebeladen. Spätestens wenn der attraktiven, auf ihre Linie achtenden Kunstkritikerin von der sie um ihre Jugend und Schönheit beneidenden Malerin zum x-ten Mal ein Marmeladen-Erdnussbutter-Brot aufgedrängt wird, möchte man am liebsten die Buchseiten mit dem süßen Aufstrich für immer zukleben.

 

Gustav Mechlenburg

 

John Updike: Sucht mein Angesicht, Rowohlt 2005

 

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