13. Januar 2005

Big Brother für Hochgestochene

 

Meine Herren, bitte besuchen Sie die Ausstellung! Übermäßig viele Frauen schlafwandeln mit paranoid rutschenden Augäpfeln durch die Präsentationsräume. Machen Sie sie glauben, Sie verfolgten sie, weil Sie glauben, nein wissen, dass die Damen gerade unter Verfolgungswahn leiden. Es ist so erotisch – uhh. Das wär’s dann aber auch schon.

 

Die ausgestellten Fotografien und Gegenstände, die vorgeblich dokumentarisches Material der Indiskretion darstellen, kann man getrost vernachlässigen, suggestiv sind die Texte zu den Bildern. Diese erzeugen ein kuhwarmes, gutmenschiges und in der Kuhwärme notwendig verblödetes Panoptikum von angeblich ach so fraulichen soft skills.

Ja, diese berühmten Umgangsformen werden von Mme Calle in den Stand künstlerischer Beschäftigung gebracht. Und diese soft skills sind wohl auch der Grund für den internationalen Erfolg der Künstlerin. Hier wird das Reale tatsächlich zum Satelliten des Imaginären. Sie muss als Person umwerfend charmant sein.

Männer wie Paul Auster und Jean Baudrillard sind sich nicht zu blöd für Madame Texte zu schreiben, die sie dann für ihre dürftigen Vorstellungen von Autorschaft, Intimität, Indiskretion, Beschattung und Entblößung verwendet und eben verblödet.

 

Was in der Ankündigung ihrer Ausstellungen als „konsequente Auslotung der Grenzen von Privatheit oder Aneignung geistigen Eigentums“ beworben wird, ist tatsächlich nichts als impertinentes Gequatsche über Schlummerverhalten, Bettwäsche und Liebeskummer. Man möchte es nicht wissen!

 

Man möchte keine autobiographischen Details erhalten über Bademäntel, Psychoanalytiker, hysterische Schmerzen und darüber, dass Calle natürlich der Nabel ihrer Welt ist. Das ist so klar, wie überflüssig zu beschreiben. Sie leidet und leider ohne jeden Anlass von allgemeinem Interesse. Baudrillard spricht in „les strategies fatales“ (1983) von den Begehrungsstrategien des Subjekts, die nunmehr ausnahmslos über eine Grenze getrieben sind, die der ganzen Gier-Veranstaltung früher vermeintlichen Sinn gab. Der Philosoph sieht Möglichkeiten des Einspruchs hiergegen einzig bei den Objekten, die eine Sprache der Verführung sprechen, die dem Begehren entgeht. Alles schön und kann man sogar mal überlegen, aber nicht in dieser Ausstellung. Es ist unangenehm ernüchternd, alles notiert und bräsig bewertet. Bietet sich dem Besucher beim Betrachten der Projekte von Sophie Calle vielleicht Gelegenheit, sich wenigstens mit den eigenen Problemen herumzukratzen? Nur zum Preis der stumpfen Versimpelung.

 

Man möchte aber doch wissen, wie man so viel Erfolg erzielt mit einer schlaffen verlaberten Idee von Seele, Spiel, Fiktion und Fiasko, und dabei so viel intellektuelles Sperrfeuer zur Hilfe erhält – wie gesagt , sie muss umwerfend charmant sein.

 

1986 befragte Sophie Calle im Rahmen des Projektes „Die Blinden“ von Geburt an blinde Menschen nach ihrer Definition von Schönheit. – Die haben es gut! Für alle Sehenden sei die Sendung Big Brother noch mal wärmstens empfohlen, das Setting ist das gleiche, aber die einen dabei befallende Verzweiflung echt!

 

Für alle, die eine Frau verfolgen wollen, ist diese Ausstellung idealer Startpunkt. Sie können sie auch am Ausgang abholen. Die Damen sind ganz Rücken. Mindestes noch eine Viertelstunde lang, also bis auf die Friedrichstaße und noch um die Ecke...

 

Nord Sdun