11. Januar 2005

Kunst-Biotop

 

 

Warum Landesmuseen den dumpfen Geruch der Provinz nicht wegbekommen, kann man mit ihrem Sammelbereich erklären. Die Berlinische Galerie ist ein Landesmuseum und sammelt seit über 100 Jahren nur Kunst von Leuten, die irgendetwas mit Berlin zu tun haben. Dass Berlin nicht immer Zentrum der Kunst, sondern nur manchmal Treffpunkt der Künstler ist, schlägt sich notgedrungen in der Sammlung nieder.

 

Dennoch ist so eine Galerie ja sehr interessant, denn nicht nur Kunstsammeln ist gut für die Historie der preußischen Garnisonsstadt, sondern auch Historie ist gut, um sich ein bisschen abzuregen im übergeschnappt kurzatmigen Kunstgeschäft. Z. B. die Werke der 50er Jahre und was daran jetzt so passend erscheint, diese elegant muffige Farbigkeit plus Ernst. Allein dieses Braun, Malven und ocker Gewurschtel, diese Breichen auf Leinwand usw. Es erinnert an eine auch schon wieder zurückliegende Optik, die damit nichts gemein hat, außer der Farbe – Ökoläden Anfang der 90er, und dass so eine Wahrnehmung verwunderlich ist und komisch und dass man verblüffend ähnliche Teile aus allen Jahrzehnten wieder findet im heißesten Scheiß dieser Saison.

 

Wer die älteren Vettern und Tanten von Andrè Butzer oder Jonathan Meese und Albert Oehlen kennen lernen will, gehe in die Berlinische Galerie. Eine weitere Spezialität sind die abgestandenen Werke von Künstlern, deren Ruhm längst verdampft ist, die Berlinische Galerie aber tapfer ausstellt, weil damals, als es gekauft wurde, war’s ganz chic.

 

Man spaziert durch die Kunstentwürfe der Jahrzehnte, und sieht, dass sich die Kunstgeschichte nicht als einen Abfolge von Ismen hintereinanderweg organisiert, sondern durcheinander. Obwohl die einzelnen Abteilungen durch teils schwachsinnige Betitelung inhaltlich wie zeitlich getrennt sind. Das gilt ja für jedes Museum, die Berlinische Galerie ist aber blickfrei genug, dass man mit einem Dreher auf dem Absatz die Ergebnisse der vorhergegangenen und nachfolgenden Jahre im Blick hat.

 

In der Kunst des 20. Jahrhunderts steckt Potenzial, was sich auch Jahrzehnte später noch entfalten lässt. Man kann an 20 Jahre alten Bildern viel besser erkennen, was man eigentlich so hervorragend/scheiße findet an Zeitgenossen. Und man kann andersherum auch erkennen, dass die Sammlung gerade wieder Mist ankauft, der aber gerade ganz chic ist. Eine solche Sammlung ist ein veritabler Steinbruch. Und man kann sehen, dass es nicht bloß landestypische Grotesken sind, was die Berlinische Galerie anzubieten hat im neuen Haus in der alten Jakobstraße 124.

 

Nora Sdun