17. Dezember 2004

Master of Ceremonies

 

Zeremoniell und Raum sind verschiedene Dinge, obwohl man sie immer zusammenzieht. Salbungsvolle Gesten stellt man sich automatisch in dem dazu passenden Ambiente vor, mit dazugehörendem Outfit. Steckt man eine Zeremonie in den „falschen“ Raum (z. B. Taufe auf der Post), produziert man einen Scherz. Dass es Unternehmen gibt, die Hochzeiten auf Schalke oder unter Wasser organisieren, ist auch ein Scherz, aber der neue Raum ist den Heiratenden wichtig, keiner heiratet an einem Ort, der diese Entscheidung persifliert.

 

Die aktuelle Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie befasst sich mit Fragen, wie Kulte Räume konstituieren, wie Orte auf die Ausprägung bestimmter Zeremonien wirken und diese Phänomene dann gemeinsamer Bildgegenstand der Malerei werden.

 

Voraussetzung des Rituals und des Denkens ist der Ort. Etliche Werke der bildenden Kunst zeigen entscheidende Orte: Städte, Häuser, Innenräume, Throne, Stufen, meist in drangvoller Enge parallel zu den Bildrändern gequetscht, mehrfachperspektivisch, auch gerne mal innen und außen gleichzeitig, indem man ein dekoratives Loch in Wände oder Dächer sprengt. Es müssen ja auch noch die jeweiligen Bandenmitglieder Platz finden, ohne dass sie sich gegenseitig verdecken.

 

Malerei ist einmal mehr der Belag auf der Gedankenklappstulle Abstraktes/Konkretes. Ein symbolisch zu deutender Bildraum und die Abbildung eines begehbaren Kultraums. Die Nachbildung des Kultraumes trifft gleichzeitig den übertragenen Sinn, die geistige Bedeutung des Kults.

 

Da sieht man den Priester am Altar werkeln, die Oblate liegt im Kelch bereit, der Ministrant wartet artig, die Kerze ist entzündet, die Säulen sind schwarzweiß geringelt, das Gewölbe blau, wie der Mantel des Priesters. Das Bild heißt „Die Messe des heiligen Antonius Abbas“. Wer Antonius genau ist, der als Begründer des christlichen Mönchtums um 300 gilt, ist nicht ersichtlich. Auch nicht, dass er in Ägypten lebte. Wie eine Einsiedelei sieht es jedenfalls nicht aus, mehr wie Arbeitsalltag in einer europäischen Kirche im Spätmittelalter. Es sind die geringelten Domsäulen Siennas. Hier hat der Maler die Legende unterschlagen. Zeremoniell und Raum sind bildwürdiger als das Heiligenleben, das ohnehin nur in der Vorstellung existiert. Um den Heiligen als anwesendes, respektables Mitglied der Gemeinschaft vorzustellen, platziert man ihn auf die Altarstufen, einen Ort, der dem Betrachter bekannt vorkommt. Bei einer vertrauten Tätigkeit.

 

Großartige Arbeitsteilung: Der Raum ist zuverlässiger Macht- und Würde-Spender, der jeweilige Heilige ist die Identifikationsfigur. Das Zeremoniell stiftet die außerhistorische Zeitordnung. Ein weiteres Indiz der zeitlosen Gegenwärtigkeit aller interessanten Personen ist die Zusammenstellung von antiker und neuzeitlicher Gewandung auf ein und demselben Bild.

 

Für Kunsthistoriker, die sowieso verkappte Sozialgeschichtler sind, macht es einen bedeutenden Unterschied, ob ein weißes gefälteltes Untergewand mit oder ohne Gürtel getragen wird. Es ist mit Gürtel nämlich ein ganz anderes Kleidungsstück, und hat auch einen anderen Namen. So wie ein Arztkittel kein Hausmeisterkittel ist. Die Indizien der Machtgefüge sind da. Macht ist problemlos regelbar mit festgefügten Würdeformen in Raum und Zeremoniell. Man kann das auf den Bildern der Gemäldegalerie sehen oder auf Schalke.

 

Nora Sdun

 

Frühe italienische Malerei in der Berliner Gemäldegalerie