12. November 2004

Danke, Antje

 

Das Wichtigste an diesem Buch mag die Widmung sein: „Nur für Dich, Antje!“ steht da kursiv. Und man weiß nicht, ob es sich dabei um das einstige Maskottchen des NDR handelt – eine faltige Seehund-Dame – oder um eine Pop-unkundige Frau, die der Verfasser aufzuklären gedenkt. (Damit nicht genug auf der Häme-Bühne ...)

Uwe Schütte hat mit seinem gelben Bändchen für den Reclam-Verlag einen Rock-und-Pop-Führer herausgebracht, der Uneingeweihten mit 100 ausgewählten Alben jenes Phänomen näher bringen soll, das da seit Jahrzehnten wütet. Nach dem Motto: „Was gehört zum Grundbestand einer Rock-und-Pop-CD-Sammlung?“ sucht er für Bankangestellte und Beamte, die das Experimentieren scheuen, heraus, was seiner Meinung nach prägend und wichtig war.

Solche Enzyklopädien können nur scheitern. Das weiß der Autor selbst. Doch man fragt sich natürlich, warum dieses und nicht jenes ausgesucht wurde. Zum Beispiel mutet es seltsam an, wenn das erste Vorführ-Album aus dem Jahr 1956 stammt (Elvis) und das zweite aus dem Jahr 1966 (The Beach Boys „Pet Sounds“). Und dazwischen? Zehn Jahre gähnendes Nichts? Und das ausgerechnet in der Dekade, in der Pop für die kommenden Jahre in alle Richtungen durchdekliniert wurde. Dafür wird einem dann das 1980er-Exkrement „Zenyatta Mondatta“ von The Police präsentiert. Dazu bedarf es schon einer Menge Akne, um einen derartigen Fehlblick zu entwickeln. Aber der ist dann wenigstens alphabetisch geordnet. Bei der „kaleidoskopartigen Rundumschau“, die Schütte betreiben wollte, ging mehr verloren, als gewonnen wurde.

Statt Van Morrisons „Astral Weeks“-Album das dagegen beinahe uninspirierte Werk „Moondance“ auszuwählen, ist auch strange. Vielleicht hängt das mit privaten Erinnerungen zusammen. Vielleicht liegt es an Antje. Schütte glaubt, er müsse den Nachfahren das MTV-Unplugged-Konzert von Nirvana empfehlen, statt deren Studioalben. Nur nicht zu viel Aufregung. Oder was steckt dahinter?

Was haben die Housemartins hier zu suchen? Wieso Pink Floyds „Wish You Were Here“ und nicht „A Saucerful Of Secrets“? Geht es hier um das Wissen der 35jährigen oder um Kunst?

Auch bürokratisch: Von jedem Künstler, jeder Band gibts nur ein Teil. Aus dieser Sammlung spricht das Bemühen, es allen recht machen zu wollen, „für jeden etwas“ anzubieten. Vielleicht ist dieser Aspekt auch Pop. Dann aber der von der unangenehmen Sorte. Antje entpuppt sich als NDR-2-Moderatorin.

Man bekommt beim Lesen nicht das Gefühl, dass Musik aus gesellschaftlichen, künstlerischen, politischen und sozialen Bedingungen heraus geformt wird.

Der Einwände gibt es viele. Aber man erfährt in Schüttes Sammlung auch manch unterhaltsame und gar nicht so weit verbreitete „Schnurre“ und Anekdote. Zum Beispiel: „Als Sohn von Tim Buckley sah sich Jeff Buckley zeit seines kurzen Lebens hohen Erwartungen ausgesetzt.“ Genau, so war das nämlich. Brandscharfe Analyse.

Die „Basis-Diskothek“ ist ein lustiges Buch, über das man sich aufregen kann. Your Basis-Disco needs you, sozusagen. Und wer auf dieser Basis zusammenkommt, der ... ja, was hat der denn?

Und das alles wegen Antje? Arme Antje. Naja. So schlimm isses auch wieder nich. Oder doch? Na mal abwarten, welche Kreise das zieht.

 

Carsten Klook

 

Uwe Schütte: Basis-Diskothek, Rock und Pop, Reclam 2004

 

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